Verantwortung für Untergrund und Bodenverhältnisse bei Aufstellung eines Krans nach der neuen Rechtsprechung des BGH vom 28.01.2016

Die fehlende Standfestigkeit des Untergrundes ist eine der häufigsten Ursachen für Kranunfälle. Aufgrund des hohen Druckes, der durch die Kranstützen aufgebracht wird, kann der Untergrund nachgeben oder können unterirdische Hohlräume (z. B. Kabelschächte) einbrechen.

Nach einem Kranunfall kommt es häufig zum Streit, wer die Verantwortung für die fehlende Eignung des Untergrundes trägt. Eine klare gesetzliche Regelung zur Haftungsverteilung fehlt, zumal der Umfang der vom Kranunternehmer angebotenen Leistungen sehr unterschiedlich sein kann. Das geht von der bloßen Vermietung und Aufstellung des Krans über die Vermietung mit Bedienpersonal bis hin zur Übernahme des Erfolgs eines Hebevorgangs. Allen diesen Vorgängen ist aber gemeinsam, dass der Kranunternehmer, der den Kran aufstellt, die nicht sichtbaren Bodenverhältnisse nicht kennt, während der Auftraggeber (Bauunternehmer oder Bauherr) über die bessere Kenntnis der örtlichen Verhältnisse und die entsprechenden Möglichkeiten einer Untersuchung des Untergrundes verfügt.

I. Ausgangspunkt: Verkehrssicherungspflicht

Wer einen Kran aufstellt und betreibt, ist dafür verantwortlich, andere vor den Gefahren zu schützen, die von dem Kran ausgehen. Diese Verkehrssicherungspflicht beruht auf dem allgemeinen Schädigungsverbot und weist die Verantwortung für Schäden demjenigen zu, der die Gefahr schafft. Das ist in erster Linie der Errichter oder Betreiber des Krans. Dementsprechend war in der bisherigen Rechtsprechung anerkannt, dass der Kranvermieter, der lediglich die Aufstellung und Vermietung des Krans übernimmt, die Verantwortung für die standsichere Errichtung des Krans trägt und selbst dann für eine fehlende Eignung des Untergrundes zur Aufstellung des Krans haftet, wenn der Standort vom Auftraggeber vorgegeben wurde (OLG Frankfurt, Urteil vom 19.02.2008, 18 U 58/07).

II. Allgemeines Bodenrisiko

In einer neueren, viel beachteten Entscheidung weist der Bundesgerichtshof das Risiko der Bodenverhältnisse dem Besteller einer Werkleistung zu. Aus § 645 BGB soll sich eine allgemeine Verantwortlichkeit des Bestellers für den Baugrund ergeben (BGH, Urteil vom 28.01.2016, I ZR 60/14). Nach § 645 Abs. 1 BGB trägt der Besteller einer Werkleistung im Verhältnis zum Werkunternehmer die Verantwortlichkeit für vom Besteller gelieferte Stoffe. Der BGH legt den Begriff des Stoffs sehr weit aus. Er soll alle Gegenstände umfassen, an denen oder mit denen das Werk herzustellen ist. Deshalb sollen für beide Vertragsteile nicht erkennbare Schwierigkeiten des Baugrundes dem Besteller zugewiesen sein.

Die Frage der Haftung für Schäden durch einen Kranunfall wird dadurch aber nicht beantwortet, da § 645 BGB keine Regelung zur Haftungsverteilung enthält, sondern lediglich für nicht erkennbare Mängel und unverschuldete Schäden eine Risikoverteilung im Verhältnis zwischen Werkunternehmer und Besteller vornimmt. Selbst in diesem Verhältnis schränkt der BGH ein, dass grundsätzlich der Werkunternehmer selbst dafür verantwortlich ist, wenn seine für die Herstellung oder die Ausführung des Werks eingesetzten Gerätschaften zu Schaden kommen.

Es lässt sich also aus der Entscheidung des BGH vom 28.01.2016 nicht entnehmen, dass generell der Besteller die Verantwortung für nicht erkannte Fehler des Untergrundes trägt.

III. Vertragliche Risikoverteilung

In der Praxis geht es meist auch nicht um die Frage, wer die Verantwortung für nicht erkennbare Ursachen eines Kranunfalls trägt, sondern darum, wer dafür verantwortlich ist, wenn erkennbare Ursachen eines Kranunfalls nicht erkannt wurden. Für erkennbare, aber nicht erkannte Risiken des Untergrundes haftet derjenige, der die Verkehrssicherungspflicht für die Aufstellung des Krans trägt. Das ist in aller Regel der Kranunternehmer. Die Kernfrage ist, ob der Kranunternehmer die Verantwortung für die Überprüfung des Untergrundes durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen auf den Besteller (Bauunternehmer oder Bauherr) übertragen kann. Hier gibt die Entscheidung des BGH vom 28.01.2016 (I ZR 66/14) klare Anhaltspunkte, welche Möglichkeiten und Grenzen bei der Übertragung von Bodenrisiken bestehen.

  1. Sachverhalt:

In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte sich ein Kranunternehmer verpflichtet, ein industrielles Ofenhaus zu demontieren und zu verlagern. Der Kranunternehmer platzierte den hinteren linken Stützfuß auf eine Betonfläche zwischen vier Fundamenthöckern. Für eine Lastverteilungsplatte war an dieser Stelle nicht genügend Platz. Bei den Kranarbeiten brach der Kran mit diesem Fuß in einen über 20 m langen Kabelschacht ein, der nur mit einer 11 cm starken Betonfläche überdeckt war.

  1. Vertragliche Vereinbarungen:

Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bundesfachgruppe Schwertransporte und Kranarbeiten vom 01.08.2008 (AGB-BSK Kran und Transport 2008) zugrunde. Die maßgebliche Klausel lautete wie folgt:

Pflichten des Auftraggebers und Haftung

Darüber hinaus ist der Auftraggeber dafür verantwortlich, dass die Boden-, Platz- und sonstigen Verhältnisse an der Einsatzstelle sowie den Zufahrtswegen – ausgenommen öffentliche Straßen, Wege und Plätze – eine ordnungsgemäße und gefahrlose Durchführung des Auftrages gestatten. Insbesondere ist der Auftraggeber dafür verantwortlich, dass die Bodenverhältnisse am Be- und Entladeort bzw. Kranstandplatz sowie den Zufahrtswegen den auftretenden Bodendrücken und sonstigen Beanspruchungen gewachsen sind. Schließlich ist der Auftraggeber verantwortlich für alle Angaben über unterirdische Kabelschächte, Versorgungsleitungen, sonstige Erdleitungen und Hohlräume, die die Tragfähigkeit des Bodens an der Einsatzstelle oder den Zufahrtswegen beeinträchtigen könnten. Auf die Lage und das Vorhandensein von unterirdischen Leitungen, Schächten und sonstigen Hohlräumen hat der Auftraggeber unaufgefordert hinzuweisen. Versäumt der Auftraggeber schuldhaft diese Hinweispflicht, haftet er für alle daraus entstehenden Schäden, auch für Sach- und Sachfolgeschäden an Fahrzeugen, Geräten und Arbeitsvorrichtungen des Unternehmers sowie Vermögensschäden.

  1. Entscheidung des BGH: AGB-BSK unwirksam

Mit der vertraglichen Regelung soll die Verantwortlichkeit für die Eignung der Bodenverhältnisse für den vereinbarten Kraneinsatz einschränkungslos und ohne Festlegung von Mitwirkungspflichten des Kranunternehmers auf den Auftraggeber übertragen werden. Eine solche Regelung hält der Bundesgerichtshof für unangemessen und deshalb unwirksam.

Die spezifischen Merkmale des Kraneinsatzes, insbesondere die Merkmale des Fahrzeugs wie etwa Achslasten, Gesamtgewichte und Stützdrücke (bei der Aufstellung eines Turmdrehkrans die Eckdrücke) sind nur dem Kranunternehmer bekannt. Es fällt deshalb zunächst in seinen Risikobereich, dass der Standplatz des Krans den durch den Kranbetrieb auftretenden Belastungen standhält.

Eine Risikoverlagerung auf den Auftraggeber ist deshalb nur gerechtfertigt, wenn konkrete Informations- und Mitwirkungspflichten definiert werden, die den Auftraggeber in die Lage versetzen, die Anforderungen an den Standplatz eigenständig zu überprüfen und eine Entscheidung über die Auswahl des Standplatzes und die bei der Aufstellung des Krans zu beachtenden Sicherungsvorkehrungen zu treffen.

IV. Zusammenfassung und Schlussfolgerung

  1. Nach dem allgemeinen gesetzlichen Haftungsmaßstab trifft den Kranunternehmer die Verantwortung, die Tragfähigkeit des Bodens am Standplatz des Krans zu überprüfen. Der Bundesgerichtshof hat allerdings offen gelassen, ob dies auch dann ohne Einschränkungen gilt, wenn der Auftraggeber den Einsatzort vorgibt.
  1. Eine vertragliche Übertragung der Pflicht zur Überprüfung der Bodenverhältnisse vom Kranunternehmer auf den Auftraggeber ist auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulässig. Eine Regelung, die die Risikoverlagerung für die Stabilität des Baugrundes durch die Beanspruchung durch den Kran nicht von einer vorherigen Abstimmung mit dem Auftraggeber abhängig macht und unabhängig von Informations- und Mitwirkungspflichten des Kranunternehmers bestehen soll, ist unwirksam, weil damit dem Auftraggeber ein für ihn weder beherrschbares noch beeinflussbares Risiko auferlegt wird.
  1. Eine vertragliche Regelung, die das Baugrundrisiko für die Aufstellung eines Krans wirksam auf den Auftraggeber übertragen soll, muss also Folgendes beachten:
  • Informationspflicht des Kranunternehmers über die zur Beurteilung der Standfestigkeit notwendigen Daten, insbesondere Stütz- bzw. Eckdrücke
  • Auswahlentscheidung des Auftraggebers zum Aufstellort des Krans
  • Hinweis auf erforderliche Überprüfungen zur Beurteilung der Standfestigkeit
  1. Für sichtbare und ohne weitere Überprüfungen feststellbare Mängel des Aufstellplatzes haftet der Kranunternehmer selbst dann, wenn das Baugrundrisiko wirksam auf den Auftraggeber übertragen wurde. Im Außenverhältnis besteht die Haftung unbeschränkt. Im Innenverhältnis zwischen Kranunternehmer und Auftraggeber besteht zumindest eine Pflicht des Kranunternehmers auf sichtbare Probleme hinzuweisen und eine Aufstellung des Krans zu unterlassen, wenn die fehlende Eignung ohne weiteres erkennbar ist. Das dürfte in der Regel zu einer Mithaftung für durch einen Kranunfall verursachte Schäden führen.

 

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