Urbanes Gebiet – „nutzungsgemischte Stadt der kurzen Wege“
Am 02.12.2016 hat die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf (Gesetzentwurfs zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt) mit umfassenden Änderungen des BauGB, der BauNVO sowie der TA Lärm und der Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) beschlossen. Ziel ist die Erreichung einer sog. „nutzungsgemischten Stadt der kurzen Wege“
Ein Schwerpunkt der Neuregelung ist die Einführung des neuen Baugebietes“ Urbanes Gebiet“. Damit soll zur Bekämpfung der in Ballungsgebieten herrschenden Wohnungsnot eine stärkere Schaffung von Wohnraum in stark verdichteten Innenstadtlagen möglich sein. Darüber hinaus sollen auch Sportstätten wieder vermehrt in der Nähe von Wohnungen angesiedelt und die weitere Nutzung vorhandener Anlagen auch bei Modernisierungsarbeiten sichergestellt werden.
I. Hintergrund
Immer mehr Menschen möchten in den Innenstädten der Ballungszentren der Bundesrepublik wohnen mit der Folge, dass Wohnraum knapp wird und die Mietpreise stark ansteigen. Die Mietpreisbremse hat hier nicht zu dem gewünschten Erfolg geführt. Zudem ist eine weitere Inanspruchnahme bisher unbebauter Gebiete im Außenbereich nicht gewünscht. Einer stärkeren Nachverdichtung oder Umwandlung von Gewerbeflächen in den oberen Etagen zu Wohnraum stehen bisher aber die Anforderungen des öffentlichen Baurechts an das Maß der Nutzung und den Immissionsschutz entgegen. Das Baurecht geht bisher nämlich vom Grundsatz davon aus, dass bei Neubaugebieten Wohnen und Arbeiten sowie Freizeit und Einkaufen in getrennten Gebieten stattfinden und somit ein möglichst hoher Lärmschutz erreicht werden kann.
Genau das Gegenteil soll nun für das sog. Urbane Gebiet gelten, das in § 6a BauNVO-Entwurf geregelt ist. Nach der Zweckbestimmung dienen Urbane Gebiete dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben sowie sozialen, kulturellen und anderen Einrichtungen in kleinräumiger Nutzungsmischung, soweit diese Betriebe und Einrichtungen die Wohnnutzung nicht wesentlich stören. Ziel ist eine „Stadt der kurzen Wege“.
Damit ist das Urbane Gebiet irgendwo zwischen Kern- und Mischgebiet angesiedelt.
II. Art der Nutzung
Im urbanen Gebiet sollen sehr unterschiedliche Arten der baulichen Nutzungen zulässig sein. Die Bandbreite reicht von Wohnungen über Gewerbebetriebe bis hin zu sozialen, kulturellen und anderen Einrichtungen und ausnahmsweise sogar nicht kerngebietstypische Vergnügungsstätten und Tankstellen.
Der Regierungsentwurf sieht weiter vor, dass im urbanen Gebiet Gebäude, die zu einem erheblichen Anteil, aber nicht ausschließlich, dem Wohnen dienen (§6a Abs.2 Nr.1 BauNVO), allgemein zulässig sind. Darin unterscheidet sich das urbane Gebiet vom Kerngebiet.
Gebäude, die der ausschließlichen Wohnnutzung dienen, sollen allerdings nur ausnahmsweise zugelassen werden können. In der Regel soll jedenfalls das Erdgeschoss gewerblichen Zwecken dienen. Geschäfts- und Bürogebäude, die im Misch- und im Kerngebiet zulässig sind, sind im urbanen Gebiet bislang nicht gewollt. Damit soll verhindert werden, dass Innenstädte außerhalb der Arbeitszeiten „veröden“.
III. Maß der Nutzung
Um das Ziel der höheren Verdichtung zu erreichen soll das Urbane Gebiet eine höhere Bebauungsdichte ermöglichen. § 17 Abs. 1 BauNVO sieht eine Grundflächenzahl (GRZ) von maximal 0,6 – wie im Mischgebiet– und eine Geschossflächenzahl (GFZ) – wie im Kerngebiet – von maximal 3,0 vor.
IV. Immissionsschutz
Neben der höheren Bebauungsdichte sind die vergleichsweise höheren Immissionswerte der TA Lärm die wichtigsten Charakteristika des neuen Baugebiets. Der Regierungsentwurf vom 30.11.2016 sieht in Nr. 6.1 TA Lärm Immissionsrichtwerte von 63 dB(A) tags und 48 dB(A) nachts fest. Damit befinden sich die zulässigen Höchstwerte 3 dB(A) über denjenigen des Misch-, Dorf- und Kerngebiets und nur 2 dB(A) unter denjenigen des Gewerbegebiets.
V. Sportanlagen
Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Ansiedlung von Sportplätzen in Innenstädten mit erheblichem Konfliktpotential verbunden ist. Diese Freizeiteinrichtungen werden nämlich vor allem abends, aber auch an Sonn- und Feiertagen genutzt, also zu Zeiten, in denen nach den Verordnungen zum BImSchG ein erhöhtes Ruhebedürfnis der Bevölkerung besteht. Diese Konfliktfälle haben Gerichte – vor dem Hintergrund der eindeutigen gesetzlichen Regelungen – bislang oft zu Lasten der Sportstätten entschieden. Neubauten wurden deshalb an den Stadtrand verbannt. Auch hier stellt der Regierungsentwurf neue gesetzlichen Rahmenbedingungen und zwar zugunsten von Sportstätten. Die zulässigen Richtwerte für die Abendzeit (20 bis 22 Uhr )sowie den Ruhezeiten Sonn- und Feiertagen (7 bis 9 Uhr, 13 bis 15 Uhr und 20 bis 22 Uhr) werden um 5 dB(A) erhöht und an die Werte des restlichen Tages angepasst.
Ziel des Gesetzesentwurfes ist außerdem die bessere rechtliche Absicherung von sog. Altanlagen, also solchen, die vor 1991 errichtet wurden. Bisher gewährleistet der sog. Altanlagenbonus des § 5 Absatz 4, dass der Sportbetrieb auf einer Anlage bei einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte um weniger als 5 dB(A) in der Regel nicht durch die Anordnung von Betriebszeiten beschränkt werden kann. Gestritten wurde in diesen Fällen, ob wann bei Umbauten der Altanlagenbonus entfällt. Mit der Anlage 2 zur 18. BImSchV soll eine Konkretisierung von Umbauten und Nutzungsänderungen erfolgen, bei denen der Altanlagenbonus in der Regel nicht entfällt.
VI. Bewertung
Eine weitere Flexibilisierung der planungsrechtlichen Möglichkeiten für Städte und Gemeinden ist sehr zu begrüßen und eine weitere Nachverdichtung im Innenbereich auch zur Vermeidung der weiteren Flächenversiegelung erstrebenswert. Die Einführung des Gebietstyps urbanes Gebiet dient diesen Zielen. Bei der Bebauungsdichte wurde dieses Ziel nach überwiegenden Stimmen erreicht. Beim Immissionsschutz wären weitergehende Regelungen erstrebenswert. Der maßgebliche Immissionsort liegt dabei weiterhin bei bebauten Flächen „0,5 m vor der Mitte des geöffneten Fensters des vom Geräusch am stärksten betroffenen Raumes“. Passive Lärmschutzmaßnahmen, z.B. durch Verwendung von Schallschutzfenstern, finden weiterhin keine Berücksichtigung. Hier wird von den Städten und Gemeinden eine Ergänzung gefordert, die möglicherweise bei der Erörterung des Entwurfes der TA Lärm im Bundesrat folgt.
Die Privilegierung von Sportlärm ist überfällig und für das Überleben vieler Vereine notwendig. Dies gilt insbesondere, weil an Jugend- und Freizeitsport ein öffentliches Interesse besteht. Nicht umgesetzt wurde bisher eine Forderung des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Sportlärm von Kindern wie in § 22 Abs. 1a BImSchG für Kitas und Spielplätze geschehen, per Gesetz von den schädlichen Umwelteinwirkungen auszunehmen. Begründet wurde diese Entscheidung nicht, allerdings sind Sportplätze – im Gegensatz zu Kitas und Spielplätzen – nicht nur für einen bestimmten – sehr jungen – Benutzerkreis gedacht, so dass die praktische Anwendung sehr schwierig sein dürfte.