Aufweichung des Kündigungsschutz Mieter bei Kündigung wegen Eigenbedarf

Der VIII. Zivilsenat des BGH hat in seiner jüngsten Entscheidung vom 14.12.2016, Az. VIII ZR 232/15, den Kündigungsschutz für Mieter bei Kündigung wegen Eigenbedarf durch den Vermieter aufgeweicht. In seiner Entscheidung hat der BGH bestätigt, dass eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) eine Kündigung wegen Eigenbedarf aussprechen darf. Zudem verneint der BGH in seiner Entscheidung die Frage, ob eine Kündigung dadurch unwirksam wird, dass der Vermieter dem Mieter eine freistehende Alternativwohnung nicht anbietet (sogenannte Anbietspflicht).

I. Sachverhalt und Entscheidungen der Instanzgerichte

Die Klägerin ist eine im Jahr 1991 gegründete GbR. Die Klägerin erwarb das Anwesen, auf dem sich die streitgegenständliche Wohnung befindet, mit dem Zweck der „Instandsetzung, Modernisierung und dem Ausbau des Anwesens, dessen Vermietung sowie nach Möglichkeit der Aufteilung in Wohnungseigentum“. Daher begann die Klägerin im Jahr 1994 mit der Sanierung des Anwesens und der Aufteilung der Wohnungen. Einzelne Wohnungen sind bereits verkauft.

Die Beklagten hatten im Jahr 1985 von der Rechtsvorgängerin der Klägerin eine 5-Zimmer Wohnung gemietet. Die von den Beklagten gemietete Wohnung war die letzte Wohnung, die die Klägerin noch nicht saniert hatte.

Im Jahr 2013 kündigte die Klägerin der Beklagten und gab als Kündigungsgrund „Eigenbedarf“ an, da einer der Gesellschafter der Klägerin die Wohnung für seine Tochter benötige. In dem Anwesen der Klägerin stand zu diesem Zeitpunkt eine andere Wohnung (2 Zimmer) frei. Die Klägerin bot den Beklagten diese Wohnung jedoch nicht an.

Trotz Kündigung und Räumungsfrist hatten die Beklagten die Wohnung nicht geräumt, weshalb die Klägerin auf Räumung klagt. Das Amtsgericht und das Landgericht hatten die Räumungsklage mit der Begründung abgewiesen, § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB sei bereits nicht anwendbar, da die Kündigung nicht durch eine natürliche Person ausgesprochen worden sei. Eigenbedarf liege bei Verwandten der Gesellschafter nicht vor.

Das Amtsgericht hatte die Kündigung auch deswegen für unwirksam erachtet, da die Klägerin den Beklagten nicht die freistehende Wohnung als Alternative angeboten hatte. Dies sei rechtsmissbräuchlich. Das Berufungsgericht hatte diese Frage offen gelassen.

II. Urteil des BGH vom 14.12.2016

Der BGH hat in seinem Urteil vom 14.12.2016 das Berufungsurteil aufgehoben und zur Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Der BGH hat seine Entscheidung zunächst damit begründet, dass § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB, der die Eigenbedarfskündigung regelt und seinem Wortlaut nach auf natürliche Personen zugeschnitten ist, entsprechend auf teilrechtsfähige (Außen-) Gesellschaften wie die GbR anzuwenden ist.

Sinn und Zweck von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB sei es nicht, den Mieter vor einem Verdrängungsrisiko durch eine unüberschaubare Anzahl von Personen auf Vermieterseite zu schützen, das bei einer GbR bestehen könnte. Der (vertragstreue) Mieter solle durch die Vorschrift lediglich vor einer willkürlichen Kündigung durch den Vermieter geschützt werden. Bei Vorliegen eines triftigen Kündigungsgrundes solle dem Vermieter jedoch die Befugnis zur Kündigung eingeräumt werden. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB diene daher nicht allein dem Mieterschutz, sondern solle einen gerechten Interessenausgleich zwischen den Mietvertragsparteien herstellen.

Auch eine GbR habe ein vergleichsbares Interesse an einem gerechten Interessenausgleich von Mieter- und Vermieterinteressen. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB sei daher entsprechend anzuwenden.

Zudem hat der BGH entschieden, dass die unterlassene Anbietung der freistehenden Zweizimmerwohnung im selben Anwesen nicht dazu geführt habe, dass die Kündigung unwirksam sei.

Der BGH hält zwar weiter an seiner Rechtsprechung fest, dass der Vermieter bei einer auf Eigenbedarf gestützten Kündigung die Folgen für einen Mieter so gering wie möglich halten muss. Dazu gehört es auch, dass er andere, freistehende Wohnung im selben Haus oder in derselben Wohnanlage anbieten muss.

Unterlässt er das wie im vorliegenden Fall, führt das nach Ansicht des BGH jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung gemäß § 242 BGB wegen unzulässiger Rechtausübung. Dem Mieter steht jedoch ein Schadensersatzanspruch gegen den Vermieter zur, da der Vermieter durch das unterlassene Anbieten eine Rücksichtnahmepflicht verletzt. Der Mieter kann daher bei unterlassener Anbietung gegenüber dem Vermieter z.B. Umzugs- oder Maklerkosten geltend machen.

III. Fazit und Reaktionen

Die Entscheidung des BGH vom 14.12.2016 reiht sich in die Rechtsprechung der letzten Jahre ein, durch die die Möglichkeiten der Kündigung wegen Eigenbedarf erheblich ausgeweitet worden sind (z.B. weite Auslegung des Begriffs „Familienangehöriger“) und ist daher wenig überraschend.

Dennoch hat die Entscheidung zu kritischen Reaktionen geführt. Insbesondere der Deutsche Mieterbund hat die Entscheidung als „zwei Ohrfeigen für den Mieterschutz“ bezeichnet und sieht ein hohes Missbrauchsrisiko.

Ob dieses Missbrauchsrisiko sich in der Praxis tatsächlich verwirklicht, ist zweifelhaft. Die Voraussetzung eines Eigenbedarfs für teilrechtsfähige (Außen-) Gesellschaften sind dieselben wie für natürliche Personen. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor und der Vermieter kündigt trotzdem, ist die Kündigung unwirksam und dem Mieter stehen Schadensersatzansprüche (Umzugskosten, erhöhte Mietkosten) gegen den Vermieter zu. Dadurch wird der Mieter geschützt und auch ein Vermieter, der keine natürliche Person ist, wird es sich überlegen, ob er sich diesen Schadensersatzansprüchen aussetzen möchte.

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