Rechtsprechungsänderung: Einheitliche Verjährungshemmung bei selbstständigem Beweisverfahren

1. Ein selbständiges Beweisverfahren ist grundsätzlich mit der sachlichen Erledigung der beantragten Beweissicherung anderweitig beendet im Sinne von § 204 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – VII ZR 172/09 Rn. 11 m.w.N.).

2. Entscheidend für die Beurteilung der sachlichen Erledigung ist dabei grundsätzlich das Ende der gesamten Beweisaufnahme. Das gilt unabhängig davon, ob in einem selbständigen Beweisverfahren die Sicherung des Beweises hinsichtlich nur eines Mangels oder mehrerer – auch voneinander unabhängiger – Mängel stattfindet und auch ohne Rücksicht darauf, ob diese durch einen oder mehrere Sachverständige erfolgt (Aufgabe von BGH, Urteil vom 3. Dezember 1992 – VII ZR 86/92, BGHZ 120, 329).

Mit diesen Leitsätzen ändert der BGH seine Rechtsprechung in Bezug auf die Verjährung bei selbstständigen Beweisverfahren. Nachdem schon seit einigen Wochen Andeutungen durch die baurechtliche Landschaft gingen, dass der BGH seine Rechtsprechung geändert hat, sind nun endlich die Entscheidungsgründe veröffentlicht.

Inhalt der Sache war wie folgt:

Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten Mängelgewährleistungsrechte wegen einer Betonfertigteilfassade geltend und leitet dafür kurz vor Ablauf der Gewährleistungsfrist ein selbständiges Beweisverfahren nach §§ 485 ff ZPO ein (wegen der landgerichtlichen Aktenzeichen auch OH-Verfahren genannt).

In den Verfahren sollen mehrere Mängel gleichzeitig behandelt werden.

Im Verfahren wird zu einem der genannten Mängel, nämlich dem Thema Risse, bereits recht früh nichts mehr Ergänzendes vorgetragen und keine Ergänzungsfragen an den Sachverständigen gestellt, bezüglich anderer Mängelrügen sind mehrere Ergänzungsgutachten erforderlich und der Abschluss des Verfahrens erfolgt Jahre später. So weit, so normal für jeden Baurechtsanwalt.

Und bisher führen solche Verfahren bei Baurechtsanwälten regelmäßig dazu, dass man mitten in der Nacht aufwacht und sich überlegt, ob man für alle Mängel verjährungshemmende Maßnahmen ergriffen hat oder am nächsten Bürotag erst einmal die eigene Haftpflichtversicherung informiert.

Das Haftungsrisiko, das dahintersteckt, zeigt sich im konkreten Verfahren. Nach Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens leitete die Klägerin ein Hauptsacheverfahren ein, auch wegen des Mangels „Risse“.  Die Beklagte beruft sich nun auf die Einrede der Verjährung mit der Begründung, dass Mängelgewährleistungsrechte für den Mangel „Risse“ schon verjährt seien, da das Verfahren bereits beendet ist und nach § 204 Abs. 2 S. 1 die Hemmung 6 Monate nach Beendigung des Verfahrens endet.

Und bisher konnte sich die Beklagte für diese Ansicht auf ein Urteil des BGH aus 1992 stützen.

Das vorangehende OLG Stuttgart hat der Klage hinsichtlich der Risse dagegen stattgegeben und die Revision zugelassen und dem BGH damit wohl erst die Möglichkeit gegeben, sich zu dieser Frage zu äußern. Das OLG Stuttgart begründet seine Auffassung damit, dass es keinen Anlass gibt, die Verjährung hinsichtlich unterschiedlicher Mängel, die im Rahmen eines einheitlichen selbständigen Beweisverfahrens anhängig gemacht werden, zu verschiedenen Zeitpunkten weiterlaufen zu lassen, solange das Gericht keine klare Abschichtung einzelner Mängel im selbständigen Beweisverfahren herbeiführe. Wenn aus der rechtlichen Selbstständigkeit eines Mangels ein potenzielles eigenständiges Ende des Beweissicherungsverfahrens hergeleitet werde, werden materielles Recht und Verfahrensrecht unzulässig verknüpft und dabei allgemeine Verfahrensgrundsätze außer Acht gelassen.

Entscheidung:

Der BGH weist die Revision der Beklagten gegen das Urteil des OLG Stuttgart ab, ändert seine bisherige Rechtsprechung und bestätigt das Urteil des OLG Stuttgart.

Zum einen führt der BGH an, dass die Rechtssicherheit es gebiete, bei der Auslegung von Verjährungsvorschriften eng am Wortlaut zu bleiben.

Nach § 204 Abs. 2 S. 1 BGB endet die Hemmung der Verjährung sechs Monate nach Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Somit müsse nach Ansicht des BGH das selbstständige Beweisverfahren insgesamt sachlich abgeschlossen sein. Dazu müssten die in dem Beweisbeschluss nach § 490 Abs. 2 ZPO gestellten Fragen des Gerichts insgesamt beantwortet worden sein.

Des Weiteren wird darauf hingewiesen, dass es für einen geordneten und zügigen Abschluss des Rechtsstreits nicht sonderlich förderlich ist, wenn die Parteien gezwungen wären, Ansprüche wegen einzelner Mängel vorab gesondert einzuklagen, um deren Verjährung zu verhindern.

Bewertung:

Mit der Entscheidung wird eine sehr praxisrelevante Frage prozessökonomisch beantwortet. Und Baurechtsanwälte in ganz Deutschland dürften froh über die Antwort des BGH sein. Neben dem Haftungsrisiko war es nämlich tatsächlich nicht sinnvoll und prozessförderlich, wenn Klagen wegen einzelner Mängel zur Verjährungshemmung erhoben werden mussten, während das selbständige Beweisverfahren wegen anderer Mängel noch weiterlief.

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