Verbraucherbauvertrag auch bei gewerkeweiser Vergabe

Erste Entscheidungen zur Definition des Verbraucherbauvertrages nach neuem Recht

Das Oberlandesgericht Hamm hat mit Urteil vom 24.4.2021 – 24 U 198/20 die Auffassung vertreten, dass ein Verbraucherbauvertrag im Sinne des §§ 650 I Abs. 1 1. Alt. BGB auch dann vorliegt, wenn verschiedene Gewerke zeitgleich und in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Erstellung eines neuen Gebäudes beauftragt werden, die Erstellung eines neuen Gebäudes für den Unternehmer erkennbar ist und die Gewerke zum Bau des neuen Gebäudes selbst beitragen.

Neues Bauvertragsrecht und Verbraucherbauvertrag

Seit 2018 sieht das neue Bauvertragsrecht des BGB spezielle Regelungen zu Verbraucherbauverträgen vor. § 650i BGB definiert den Verbraucherbauvertrag dabei wie folgt:

  • Verbraucherbauverträge sind Verträge, durch die der Unternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird.

Für solche Verbraucherbauverträge gelten dann eine Reihe von Sondervorschriften zu Baubeschreibung, Widerrufsrecht, Vertragserfüllungssicherheit bei Abschlagszahlungen und insbesondere auch Bauhandwerkersicherheit. Eine Bauhandwerkersicherheit nach § 650f BGB kann nach Abs. 6 Nr. 2 u.a. bei Verbraucherbauverträgen nicht verlangt werden.

Erweiterte Definition des Begriffs Verbraucherbauvertrag

Im zugrunde liegenden Fall begehrt die Klägerin, das ausführende Unternehmen, von der beklagten Bauherrin die Stellung einer Bauhandwerkersicherheit, hilfsweise restlichen Werklohn. Die Klägerin betreibt einen Handwerksbetrieb aus dem Bereich Stahl- und Hallenbau. Die Beklagte beauftragte die Klägerin mit der Errichtung einer Mehrzweckindustriehalle. Das Fundament der Industriehalle wurde durch Drittunternehmen errichtet. Die errichtete Halle ist vermietet an ein Unternehmen, dessen Geschäftsführer der Ehemann der Beklagten ist. Sowohl der Auftrag, als auch das Abnahmeprotokoll wurden vom Ehemann der Beklagten unterschrieben.

Das Oberlandesgericht Hamm hat zwar die Sache an das Landgericht Münster zurückverwiesen und somit noch keine Entscheidung getroffen. Es hat aber bereits einige inhaltliche Hinweise erteilt, insbesondere hinsichtlich der Einordnung der Beklagten als Verbraucherin und der Voraussetzungen eines Verbraucherbauvertrages

Verbrauchereigenschaft

Angesichts des Sachverhalts stellt sich direkt die Frage der Verbrauchereigenschaft. Bei Errichtung einer Mehrzweckindustriehalle ist nicht der erste Gedanke, dass es sich bei dem Bauherrn um einen Verbraucher handelt.

Verbraucher ist gemäß § 13 BGB aber jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Die Verwaltung eigenen Vermögens ist, unabhängig von dessen Höhe, grundsätzlich keine gewerbliche Tätigkeit. Die Vermögensverwaltung wird erst dann der berufs- oder gewerbsmäßig, wenn der Umfang der mit ihr verbundenen Geschäfte einen planmäßigen Geschäftsbetrieb erfordert. Wann dies der Fall ist, hängt vom Einzelfall ab. Da die Vermietung hier allerdings lediglich an eine Gesellschaft erfolgt, spricht aus Sicht des Gerichts wenig dafür, dass ein erheblicher bürotechnische Aufwand hiermit verbunden ist. Dies auch, da der Geschäftsführer der Mieterin der Ehemann der Beklagten ist und nach unwidersprochen gebliebenem Vortrag ein langfristiger Mietvertrag abgeschlossen wurde.

Voraussetzungen eines Verbraucherbauvertrages

Im Anschluss beschäftigt sich das Oberlandesgericht mit der Frage des Verbraucherbauvertrages.

Hier gibt es angesichts des Sachverhaltes zwei Punkte, wegen derer man einem Verbraucherbauvertrag zweifeln könnte.

Zum einen wird vertreten, dass zwingende Voraussetzung eines Verbraucherbauvertrages ist, dass es sich um ein Wohngebäude handelt. Zum anderen, dass eine Verbraucherbauvertrages voraussetzt, dass ein Generalunternehmer beauftragt wird. Beides verneint das Oberlandesgericht.

Verbraucherbauvertrag nur bei Wohngebäuden?

Beim Wohngebäude beruft sich das Oberlandesgericht zur Begründung auf den Wortlaut der Vorschrift. Dort heißt es „Verträge über den Bau von Gebäuden“. Eine Beschränkung auf Wohngebäude gibt der Wortlaut nicht her. Eine solche Einschränkung ergebe sich auch nicht aus den Gesetzesmaterialien und auch nicht aus der der Regelung zugrunde liegenden EU-Richtlinie.

Verbraucherbauvertrag auch bei gewerkeweiser Vergabe?

Das Thema gewerkeweise Vergabe wurde bisher in der Literatur unterschiedlich beurteilt. Der Wortlaut spricht zunächst gegen die Einbeziehung der Einzelvergabe. Dieser lautet „durch die der Unternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird“. Danach muss sich der Unternehmer zum Bau des gesamten Gebäudes in einem Vertrag verpflichten. Der Wortlaut weicht zudem von § 650 Abs. 1 BGB ab, wo ausdrücklich „Teil eines Bauwerks“ erwähnt ist. Eine Definition dessen, was unter dem „Bau eines neuen Gebäudes“ zu verstehen ist, findet sich im Gesetz nicht. Der Gesetzgeber hat aber ausdrücklich ausgeführt, dass der Anwendungsbereich für die Regelung zum Verbraucherbauvertrages an die zugrunde liegende EU-Richtlinie anschließe. Gemäß Art. 3 Abs. 3f der Richtlinie gilt die Richtlinie nicht für Verträge über den Bau von neuen Gebäuden, erhebliche Umbaumaßnahmen an bestehenden Gebäuden oder die Vermietung von Wohnraum. Im Ergebnis führte dies vor Inkrafttreten der Bauvertragsrechts Reform dazu, dass Verbraucher bei Verträgen über Anfangszeiten unten kleinere“ Bauleistungen umfassender geschützt waren, als bei solchen über „größere“ Bauleistungen. In Erwägungsgrund 26 der Richtlinie wird zum Begriff der erheblichen Umbaumaßnahmen in Art. 3 Abs. 3f ausgeführt, dass darunter solche Umbaumaßnahmen fallen, die dem Bau eines neuen Gebäudes vergleichbar sind.

Ziel des Gesetzesgebers sei es somit gewesen, gerade diejenigen Baumaßnahmen zu erfassen, die von der Richtlinie nicht erfasst sind. Vor dem Hintergrund der Gewährleistung eines umfassenden Verbraucherschutzes könnte die fehlende Erwähnung des Vertrages über die Herstellung eines Bauwerks „oder eines Teils“ davon als unbeabsichtigte gesetzgeberische Lücke zu werten sein. Hierfür spricht nach Meinung des Oberlandesgerichts, dass Verbraucherbauverträge vom Rechtsschutzinteresse her betrachtet auch dann vorliegen müssten, wenn sich der Vertrag zum Beispiel auf den Dachstuhl, den Putz, den Estrich oder eine Technische Anlage eines Neubaus beschränkt. Zudem gebe es keinen sachlichen Grund, warum der Bauherr bei gewerkeweise Vergabe weniger schutzwürdig ist, insbes. hinsichtlich der strukturellen Unterlegenheit gegenüber bauerfahrenden Unternehmen und dem mit den Maßnahmen verbundenen Risiko.

Eine Einschränkung macht das Oberlandesgericht allerdings insoweit, als Voraussetzung für einen Verbraucherbauvertrag sei, dass – wie hier – die Beauftragung der verschiedenen Gewerke zeitgleich oder in engem zeitlichem Zusammenhang erfolgt und die Erstellung eines neuen Gebäudes für den Unternehmer ersichtlich ist. Auch muss das betroffene Gewerk zum Bau des neuen Gebäudes selbst beitragen.

Folgen für aktuelle und zukünftige Projekte mit Verbraucherbauverträgen

Mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts wird der Anwendungsbereich des Verbraucherbauvertrages erheblich ausgeweitet. Da das Oberlandesgericht den konkreten Fall an das Landgericht Münster zurückverwiesen hat, wird es leider nicht zeitnah zu einer Stellungnahme des VII. Senates des Bundesgerichts zu dieser Frage kommen. Es bleibt abzuwarten, wie sich andere Oberlandesgerichte zu der Frage positionieren.

Insgesamt scheint die Entscheidung etwas inkonsequent und vom gewollten Ergebnis gedacht. Während beim Wohngebäude allein auf den Wortlaut abgestellt wird, wird dieser bei der gewerkweisen Vergabe außer Acht gelassen. Vielmehr wird allein auf den Verbraucherschutz und den angeblichen Willen des Gesetzgebers abgestellt. Ob es ein solcher Wille rechtfertigt, sich über den ausdrücklichen Wortlaut –auch im Vergleich zu anderen Regelungen des neuen Bauvertragsrechts, insbes. § 650a BGB – hinwegzusetzen, ist äußerst zweifelhaft.

In aktuellen Projekten kann ausführenden Unternehmen aber nur geraten werden, nicht mit Verweis auf eine nicht gestellt Sicherheit, Arbeiten einzustellen, da hier ein erhebliches Risiko besteht.

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