Corona-Pandemie und Gewerberaummietverhältnisse: Muss die Miete noch gezahlt werden?

Die Auswirkungen von Corona, insbesondere die staatlich angeordneten Schließungen von Restaurants, Fitnessstudios sowie des Einzelhandels, werfen auch beim 2. Lockdown viele rechtliche Fragen im Bereich des Gewerberaummietrechtes auf. Dazu beigetragen haben auch die im Eiltempo beschlossenen neuen gesetzlichen Regelungen, insbesondere Art. 240 § 7 EGBGB und § 44 EGZPO.

Lösungsansätze anlässlich des 1. Lockdowns

Anlässlich der staatlich angeordneten Schließungen von Geschäften im März/April 2020 haben sich mehrere Lösungsansätze entwickelt, wie sich dies auf die Pflicht des Mieters zur Zahlung des Mietzinses auswirkt:

  • Mietmangel
    Teilweise wird davon ausgegangen, dass die Corona-bedingten Schließungen als Mietmangel einzuordnen sind. Der Mieter sei daher berechtigt, die Miete zu mindern: Im Falle einer Komplettschließung zu 100 % und soweit die Nutzung durch Beschränkungen, wie etwa eine Maximalanzahl von Personen, eingeschränkt wurde, entsprechend anteilig.
  • Unmöglichkeit
    Als weiterer Ansatz wurde vertreten, dass es sich bei den Corona-bedingten Schließungen um einen Fall der Unmöglichkeit handelt. Es wurde argumentiert, dass es dem Vermieter unmöglich sei, die Mietsache entsprechend der vertraglichen Abrede (Mietzweck) zur Verfügung zu stellen, § 275 Abs. 1 BGB. Dies führt dann dazu, dass die sog. Gegenleistungspflicht des Mieters, die in der Zahlung des Mietzinses besteht, entfällt, § 326 Abs. 1 BGB.
  • Anpassung der Geschäftsgrundlage
    Als dritter Lösungsansatz wurde diskutiert, ob der Mieter einen Anspruch auf eine Anpassung der Geschäftsgrundlage, § 313 Abs. 1 BGB, in Form einer Mietreduktion hat. Nach § 313 BGB hat der jeweilige Vertragspartner einen Anspruch auf Anpassung, wenn es zu einer schwerwiegenden Veränderung der Geschäftsgrundlage gekommen ist und hierdurch es dem Vertragspartner nicht mehr zugemutet werden kann, an dem ursprünglichen Vertrag festgehalten zu werden.

Die bisherige ergangene Rechtsprechung

Teilweise haben die Mieter anlässlich der staatlich angeordneten Schließungen im März/April 2020 ihre Mietzahlungen für diesen Zeitraum ausgesetzt. In einigen Fällen sind die Vermieter hiergegen gerichtlich vorgegangen und haben auf die Zahlung des Mietzinses für diesen Zeitraum geklagt. Bisher liegen nur erstinstanzliche Entscheidungen (also Entscheidungen von Amts- und Landgerichten) vor. Wie so häufig bei neu aufkommenden Rechtsfragen fallen die Entscheidungen nicht einheitlich aus, sondern es spiegeln sich die in der Literatur vorgeschlagenen Lösungsansätze wider.

Die nähere Betrachtung der bisher ergangenen und veröffentlichten Urteile lässt die starke Tendenz erkennen, dass die Gerichte überwiegend einen Mietmangel wegen Corona-bedingten Schließungen ablehnen. Die Ausnahme hiervon bildet ein Urteil des Landgerichts München I (LG München I, Urt. v. 22.09.2020 – 3 O 4495/20), welches ausgehend von mehreren Reichsgerichtsentscheidungen im Zusammenhang mit Beschränkungen aufgrund des 1. Weltkrieges, einen Mangel an der Mietsache annimmt.

Soweit ein Mangel der Mietsache abgelehnt worden ist, haben sich die Gerichte in ihren Entscheidungen damit auseinandergesetzt, ob der Mieter einen Anspruch auf eine Anpassung der Geschäftsgrundlage hat.

In diesem Zusammenhang wird zunächst diskutiert, ob § 313 Abs. 1 BGB überhaupt Anwendung finden kann. Teilweise wird angenommen, dass die bisherigen Regelungen des Gesetzgebers anlässlich der Covid-19-Pandemie, insbesondere die Art. 240 § 1 Abs. 4 Nr. 1, § 2 EGBGB, eine Sperrwirkung entfalten. Damit komme ein Rückgriff auf § 313 BGB nicht in Betracht (so bspw. LG München II, Urt. v. 06.10.2020 – 13 O 2044/20 sowie Urt. v. 22.09.2020 – 13 O 1657/20, dagegen etwa LG Mönchengladbach, Urt. v. 02.11.2020 – 12 O 154/20). Allerdings stützt kein Gericht, soweit ersichtlich, die Ablehnung von § 313 BGB alleine auf dieser Grundlage.

Bei der Prüfung der Anspruchsgrundlage von § 313 BGB bejaht die überwiegende Mehrheit der Gerichte, dass es sich bei der Corona-bedingten Schließung um eine schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage handelt. Ob die Fortsetzung der Mietzahlung den Mieter allerdings in unzumutbarer Weise belastet, wird unterschiedlich gesehen. Die Mehrheit der Gerichte lehnen dies ab (so AG Düsseldorf, Urt. v. 10.11.2020 – 45 C 245/20; LG Frankfurt, Urt. v. 07.08.2020 – 2-05 O 160/20; LG Heidelberg, Urt. v. 30.07.2020 – 5 O 66/20; AG Köln, 04.11.2020 – 206 O 76/20; LG Mannheim, Urt. v. 23.07.2020 – 23 O 22/20; LG München II, Urt. v. 06.10.2020 – 13 O 2044/20, LG München II, Urt. v. 22.09.2020 – 13 O 1657/20; LG Stuttgart, Urt. v. 19.11.2020 – 11 O 215/20 sowie LG Zweibrücken, Urt. v. 11.09.2020 – HK O 17/20). Sie begründen ihre Entscheidung vor allem damit, dass das sog. Verwendungsrisiko der Mietsache beim Mieter liegt, der Kürze des 1. Lockdowns von ca. 1 Monat und der Möglichkeit der Inanspruchnahme staatlicher Hilfen. Dagegen meinen das LG Mönchengladbach (Urt. v. 02.11.2020 – 12 O 154/20) sowie das AG Oberhausen (Urt. v. 06.10.2020 – 37 C 863/20), dass der Vertrag dahingehend anzupassen ist, dass während des Zeitraums der Schließung, nur eine hälftige Mietzahlungspflicht besteht.

Die Neuregelung des Gesetzgebers

Der Gesetzgeber hat nun mit Art. 240 § 7 EGBGB eine besondere Regelung für Geschäftsmietverhältnisse geschaffen. Nach dieser Regelung wird vermutet, dass die staatlich angeordnete Schließung oder Nutzungsbeschränkung der Mietsache eine schwerwiegende Veränderung von Umständen in Sinne des § 313 Abs. 1 BGB sind.

Auswirkungen der Neuregelung

Es ist mehr als fraglich, ob diese im Eiltempo beschlossene Gesetzesänderung in der Praxis eine Auswirkung zeigen wird. Wie dargestellt, geht bereits die Rechtsprechung überwiegend davon aus, dass es sich bei den Schließungen um eine schwerwiegende Veränderung im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB handelt. Insofern ist die neue Regelung nur eine Wiederholung der sich in der Rechtsprechung herausgebildeten Auffassung. Die Neuregelung hat nur insoweit eine Auswirkung, als teilweise von einer Sperrwirkung der bisherigen Covid-19-Gesetzgebung ausgegangen worden ist. Diese Auffassung wird nun kaum noch vertretbar sein.

Ausblick

Bisher liegen nur erstinstanzliche Urteile vor. Gegen einige dieser Urteile ist Berufung eingelegt worden (etwa gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 30.07.2020 – 5 O 66/20). Es ist damit zu rechnen, dass die ersten Entscheidungen der zweiten Instanz im Verlaufe dieses Jahres ergehen werden. Denn der Gesetzgeber hat mit § 44 EGZPO ein Beschleunigungsgebot für Verfahren wegen Mietzahlungsansprüchen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie eingeführt. Es ist damit zu rechnen, dass auch die Entscheidungen der zweiten Instanz unterschiedlich ausfallen werden. Dies wird nicht allein auf unterschiedlichen Rechtsauffassungen zurückzuführen sein, sondern liegt in der Natur des § 313 Abs. 1 BGB. Daran hat sich auch durch die Neuregelung des Gesetzgebers nichts geändert. Denn ob eine Unzumutbarkeit und damit ein Anspruch auf Anpassung des Vertrages besteht, ist stets eine Frage der (besonderen) Umstände des Einzelfalles. Verallgemeinerungen sind damit kaum möglich.

Vor dem Hintergrund der sich nur schwer prognostizierbaren Anwendung von § 313 BGB im konkreten Einzelfall, empfiehlt es sich möglichst eine außergerichtliche Einigung zu erzielen. Hierdurch lässt sich am schnellsten und rechtssichersten eine Lösung erreichen. Dabei müssen die Parteien allerdings darauf achten, dass bei der gefundenen Einigung die Schriftform gewahrt wird. Andernfalls kann sich die gut gemeinte Einigung schnell zum Bumerang entwickeln.

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