Schadensersatz bei Vereitelung des Vorkaufsrecht

Wenige wissen es, aber Mietern steht bei Umwandlung ihrer Mietwohnung in eine Eigentumswohnung und anschließendem Verkauf der Wohnung ein Vorkaufsrecht zu. Der Bundesgerichtshof hatte im Januar zu entscheiden, welche Folgen es hat, wenn ein Vermieter/Verkäufer seine Mieter über den bevorstehenden Verkauf und das Bestehen des Vorkaufsrechts nicht aufklärt. Während sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht Hamburg einen Schadensersatzanspruch des übergangenen Mieters verneint haben, steht Mietern nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nun zumindest dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch zu.

I. Hintergrund

Das Vorkaufsrecht ist die Befugnis eine Sache zu kaufen, wenn diese Sache vom Eigentümer an einen Dritten verkauft werden soll. Es schafft eine Bindung des Eigentümers für den Fall, dass er sich von der Sache trennen will, sie unter gewissen Bedingungen an eine bestimmte Person zu verkaufen. Das Vorkaufsrecht ist dabei so ausgestaltet, dass zunächst der Verpflichtete, in der Regel also der Eigentümer, seine Verkaufspläne konkretisieren muss. Dies geschieht in Gestalt eines Vertrages mit einer dritten Person. Der Vorkaufsberechtigte hat dann das Recht in den mit dem Dritten ausgehandelten Vertrag einzutreten. Der Vorkaufsberechtigte kann also nicht von sich aus entscheiden, wann und zu welchen Bedingungen er das Vorkaufsrecht ausüben möchte. Zeitpunkt und Inhalt bestimmt viel mehr der Eigentümer durch seine Vertragsverhandlungen und den (bedingten) Vertrag mit der dritten Person.

Das BGB sieht schuldrechtliche und dingliche Vorkaufsrechte vor. Das schuldrechtliche Vorkaufsrecht, das im Gegensatz zum dinglichen Vorkaufsrecht nicht im Grundbuch eingetragen ist, wirkt nur zwischen Vorkaufsberechtigten und Vorkaufspflichten. Schließt also der Eigentümer trotzdem einen Kaufvertrag mit einem Dritten ab, so ist dieser wirksam. Neben diesen Arten von Vorkaufsrecht, die vertraglich vereinbart werden müssen, kennt das deutsche Recht aber auch eine Reihe gesetzlicher Vorkaufsrechte. Solche Vorkaufsrechte gibt es insbesondere zugunsten der öffentlichen Hand, und dort zugunsten von Städten und Gemeinden. Solche Vorkaufsrechte sind unter anderem im Baugesetzbuch geregelt, können sich aber auch aus siedlungsrechtlichen, naturschutzrechtlichen, verkehrsrechtlichen, denkmalschutzrechtlichen oder bestimmten landesrechtlichen Vorschriften ergeben. Hintergrund solcher Vorkaufsrechte ist in der Regel entweder, dass das betroffene Grundstück durch eine Entscheidung der vorkaufsberechtigten Gemeinde eine erhebliche Werterhöhung erfahren hat oder dass es sich um ein Grundstück handelt, das aufgrund seiner Lage von besonderen Interesse für die Verwirklichung staatlicher Aufgaben ist.

Daneben gibt es aber noch eine Gruppe, der häufig ein Vorkaufsrecht zusteht, die aber in den meisten Fällen davon gar nichts weiß. Gemäß § 577 BGB steht dem Mieter, an dessen Wohnraum nach Überlassung Wohnungseigentum begründet worden ist oder begründet werden soll ein Vorkaufsrecht zu, wenn die Wohnräume an einen Dritten verkauft werden sollen. Standardfall ist die Aufteilung eines Mehrfamilienhauses in einzelnen Eigentumswohnungen. Dabei handelt es sich um ein gesetzliches Vorkaufsrecht mit schuldrechtlicher Wirkung. Dies hat zur Folge, dass ein entgegen dem Vorkaufsrecht abgeschlossener Vertrag mit einem Dritten dennoch wirksam ist. Der Mieter kann sein Vorkaufsrecht folglich nur dann wirksam ausüben, wenn ihm das Vorkaufsrecht und die Bedienungen, zu denen die Wohnung verkauft werden soll, bekannt sind. Deshalb sieht § 577 Abs. 2 BGB vor, dass der Verkäufer oder der Dritte verpflichtet sind, den Mieter über das Bestehen seines Vorkaufsrecht und den Inhalt des geplanten Kaufvertrages zwischen Verkäufer und Dritten zu informieren.

II. Urteil des Bundesgerichtshofs

An diesem Punkt setzt nun der Bundesgerichtshof an. Dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21.01.2015 (Az. VIII ZR 5/14) lag folgender Fall zugrunde.

Eine Frau hatte von ihren Eltern im Jahr 2010 ein Mehrfamilienhaus in Hamburg geschenkt bekommen. In einer der Wohnungen wohnte seit 1992 die spätere Klägerin. Nach 1992 aber vor 2010 wurde an den Wohnungen des Mehrfamilienhauses Wohnungseigentum im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes begründet. Nach dem die Eltern verstorben waren verkaufte die Tochter und spätere Beklagte sämtliche in dem Mehrfamilienhaus gelegenen sieben Wohnungen im Mai 2011 zu einem Gesamtpreis von 1,3 Millionen Euro an eine Immobiliengesellschaft. Auf die Wohnung der Mieterin entfiel rechnerische ein Anteil von € 186.571,00.

Die Mieterin wurde von der damaligen Eigentümerin weder von der Veräußerungsabsicht noch vom Vertragsabschluss unterrichtet. Auch auf ein möglicherweise bestehendes Vorkaufsrecht wurde sie nichtig hingewiesen. Die Immobiliengesellschaft wurde im Anschluss als neue Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen. Etwa einen Monat nach Eintragung informierte die Hausverwaltung der Immobiliengesellschaft die Mieterin über die Veräußerung der Wohnung. Sechs Monate später bot sie der Klägerin die von ihr bewohnte Wohnung gegen Zahlung eines Preises von € 266.250,00 zzgl. 12 % Erwerbskosten zum Kauf an. Dabei wies sie daraufhin, dass sie die weiteren sechs Wohnungen in den letzten zwei Monaten zum gleichen Preis verkauft habe. Der angebotene Kaufpreis entspricht dem Verkehrswert der Wohnung.

Die Mieterin lehnte das Angebot ab und verlangte stattdessen von der ursprünglichen Eigentümerin Schadensersatz. Sie begründet dies damit, dass die frühere Eigentümerin das gesetzliche Vorkaufsrecht durch die unterlassene Unterrichtung vereitelt habe. Bei Ausübung des Vorkaufsrechts hätte die Mieterin die Wohnung, die einen Verkehrswert von € 266.250,00 aufweist, zu einem Kaufpreis von (nur) € 186.571,00 erwerben können. Dies entspricht dem auf die Wohnung entfallenen Anteil an dem Gesamtkaufpreis. Dadurch hätte sie einen Gewinn von knapp € 80.000,00 erzielen können.

Dieser Argumentation ist der Bundesgerichtshof gefolgt und der Mieterin einen Anspruch auf Schadensersatz dem Grunde nach zugebilligt. Allerdings hat der Bundesgerichtshof nicht über die Höhe des entstandenen Schadens entscheiden können und die Sache deshalb an das Landgericht Hamburg zurückverwiesen. Der Bundesgerichtshof begründet seine Entscheidung damit, dass die ursprüngliche Eigentümerin gemäß § 469, 577 Abs. 2 BGB verpflichtet gewesen sei, die Mieterin über die beabsichtigte Veräußerung der Wohnung zu unterrichten und diese auf ihr gesetzliches Vorkaufsrecht hinzuweisen. Diese Pflicht habe sie schuldhaft verletzt. Wegen der Pflichtverletzung sei es der Mieterin nicht möglich gewesen, die Wohnung zu den anteiligen Kaufpreis zu erwerben. Ein Nachholen des Kaufs sei unmöglich, da die frühere Eigentümerin nicht erneut Eigentum an der Wohnung übertragen könne.

Als Rechtsfolge steht der Mieterin ein Schadensersatzanspruch zu. Dieser beläuft sich auf Ersatz der Differenz zwischen Verkehrswert der Wohnung und anteiligem Kaufpreis abzüglich ersparter Kosten (z.B. Finanzierungskosten, Grundbuchkosten etc.). Entgegen dem Urteil des Landgerichts Hamburg ist ein solcher Schadensersatzanspruch auch mit dem Schutzzweck des § 577 BGB vereinbar. Zweck des Vorkaufsrechts sei neben dem Schutz des Mieters vor spekulativer Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen und deren Veräußerung an Dritterwerber auch, Mietern die Möglichkeit zu eröffnen, die Wohnung zu einem Kaufpreis zu erwerben, den auch ein Dritter für die Wohnung zu zahlen bereit ist. Dies ergibt sich nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs bereits aus den Gesetzesmaterialien. Hätte die Absicht des Gesetzgebers alleine darin bestanden, den Mieter vor einer Eigenbedarfs- oder Verwertungskündigung des Dritterwerbers zu schützen, hätte ein zeitweiliger Ausschuss des Kündigungsrechts wie er in § 577a BGB geregelt ist, genügt. Als Vorkaufsrecht hätte es dann nicht bedurft.

III. Folgen

Die Begründung von Wohnungseigentum an Wohnungen von Mehrfamilienhäuser oder auch einer Doppelhaushälfte hat in den letzten Jahren sehr zugenommen. Angesichts eines florierenden Immobilienmarktes lassen sich so wesentlich höhere Kaufpreise erzielen. Die Entscheidung hat deshalb erhebliche Folgen, sowohl für Privatpersonen die Mehrfamilienhäuser verkaufen, als auch für Bauträger und Immobiliengesellschaften, die im Anschluss den Verkauf der verschiedenen Eigentumswohnungen durchführen. Sie alle müssen diese Rechtsprechung jetzt beachten. Allerdings gibt es eine Reihe von – auch gerichtlich anerkannten – rechtlichen Regelungsmöglichkeiten, um das Entstehen eines Vorkaufsrechts nach § 577 BGB zu vermeiden.

Eine nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes naheliegende Möglichkeit führt allerdings nicht zum Erfolg. Ein Vorkaufsrecht besteht nach dem Wortlaut des § 577 Abs. 1 BGB auch dann, wenn das Wohnungseigentum im Zeitpunkt des Verkaufs an den Dritten noch nicht begründet wurde aber begründet werden soll. Es gibt zu der Frage, wann die Vorrausetzungen des „Begründet werden sollen“ vorliegen, bisher aber nur Rechtsprechung der Amtsgerichte. Hierbei zeichnet sich aber ab, dass ein Vorkaufsrecht wohl nicht entsteht, wenn das Gebäude als solches veräußert wird. Vielmehr muss die Absicht, Wohnungseigentum zu begründe, bereits sehr konkret sein. Zum Teil wird hier verlangt, dass der Kaufvertrag das künftige Wohnungseigentum genau bezeichnet. Teilweise wird verlangt, dass die Umwandlungsabsicht nach außen zu Tage treten muss, etwa durch die Beurkundung der Teilungserklärung. Anderen genügt, wenn die Umwandlungsabsicht in irgendeiner Form geäußert wird, etwa durch Erklärungen im Kaufvertrag gegenüber dem Notar.

Wird ein Gebäude insgesamt an einen Dritten zum Zwecke der Umwandlung und Vermarktung verkauft, so ist zu unterscheiden. Dem Mieter steht ein Vorkaufsrecht zu, wenn Gegenstand des Kaufvertrages die einzelnen Wohnungen in ihrer Gesamtheit sind. Wird dagegen das Gebäude als solches verkauft, so hat der Mieter kein Vorkaufsrecht. Dies hat für den Mieter den Nachteil, die Wohnung nicht zu diesen Bedingungen erwerben kann, die der Eigentümer mit dem Ersterwerber vereinbart hat. Vielmehr muss er warten, bis der Ersterwerber die Wohnung weiter veräußert. Dann steht dem Mieter ein Vorkaufsrecht zu, meist aber zu einem höheren Preis.

Nach zum Teil vertretener Auffassung ist aber eine noch viel weiter gehende Umgehung des § 577 BGB rechtlich zulässig, nämlich durch Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Wird ein Mehrfamilienhaus durch eine solche GbR erworben und sodann Wohnungseigentum zugunsten der jeweiligen Gesellschafter gegründet, sei § 577 BGB unanwendbar, weil die Vorschrift nach ihrem Wortlaut eine Veränderung in der Person des Eigentümers voraussetzt. Dies sei hier gerade nicht gegeben. Diese Ansicht kann sich auch auf ein Urteil des BGH aus dem Jahr 2009 (NJW 2009, 2738) zu § 577a BGB berufen.

IV. Fazit

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes erschwert den Verkauf von Mehrfamilienhäusern, wenn bereits Wohneigentum gegründet wurde oder sogar dies geplant ist. Wählt man die richtige rechtliche Konstruktion, gibt es aber immer noch Möglichkeiten die Entstehung des Vorkaufsrechts zu verhindern. Die entsprechenden Überlegungen müssen aber vor dem erstmaligen Verkauf angestellt werden.

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