Vertragsentwurf erstmals mit Zuschlag übersandt – kein Vertrag zustande gekommen

I. Hintergrund

Das Oberlandesgericht Celle hat mit Urteil vom 29.12.2022 13 U 3/22 einen Fall zu entscheiden, der nach unserer Erfahrung in der Praxis nicht selten vorkommt.

Ein Bundesland schreibt Leistungen zur Sicherheitskontrolle auf dem Verkehrsflughafen in B. für den Zeitraum 1. April 2015 bis 31. März 2019 europaweit aus. Der Ausschreibung sind diverse Unterlagen beigefügt, nicht aber ein Vertragsentwurf. Mit Zuschlagsschreiben vom 17.03.2015 erklärte das Land, dass der jetzigen Beklagten der Zuschlag erteilt werde. Zugleich forderte die Klägerin die Beklagte auf, mit der Ausführung der Leistung ab dem 01.04.2015 zu beginnen und umgehend die anliegenden Schriftstücke unterzeichnet zurückzusenden. Bei den anliegenden Schriftstücken handelt es sich um eine Ausfertigung des Vertrages mitsamt Anlagen und eine Mitteilung über die Projektleitung.

In der Folge unterschrieb die Beklagte die Vertragsausfertigung nicht. Es kam zu Unstimmigkeiten über eine von der jetzigen Beklagten gewünschten Vertragszusatz. Das Land forderte die Beklagte im Anschluss auf, den unterzeichneten Vertrag umgehend zurückzusenden und mit den Arbeiten ab dem 01.04.2015 zu beginnen. Die Beklagte lehnte dies ab. Das Land erklärte daraufhin, dass nach Rücksprache mit ihrer Rechtsabteilung der Geschäftsleitung eine Unterzeichnung des Vertrages nicht zwingend notwendig sei und bereits ein Vertrag auf Grundlage des Angebots zustande gekommen ist. Die Beklagte erwiderte, dass dies nach ihrer Auffassung nicht der Fall ist.

II. Gerichtsverfahren

In der Klage, die vom Oberlandesgericht Celle zu entscheidenden war, verlangt das Land von der Beklagten Zahlung von knapp EUR 500.000,00. Dabei handelt es sich um Mehrkosten, die dem Land dadurch entstanden sind, dass es ein anderes Unternehmen mit den Sicherheitskontrollen beauftragen musste. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat das Urteil aufgehoben und der Berufung stattgegeben. Es ist der Auffassung, dass zwischen den Parteien kein Vertrag zustande gekommen ist. Das Oberlandesgericht führt aus, dass die Annahme eine empfangsbedürftige Willenserklärung ist, deren Inhalt die vorbehaltlose Akzeptanz des Antrags zum Ausdruck bringen muss. Ob dies der Fall ist, ist im Zweifel durch Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont zu ermitteln. Wird das Vertragsangebot dagegen unter Änderungen angenommen, handelt es sich nach § 150 Abs. 2 BGB nicht um eine Annahme, sondern um ein neues Angebot. Davon geht das Oberlandesgericht vorliegend aus. Inhaltlich enthalte der Vertragsentwurf verschiedene Regelungen, die sich in dem Angebot noch nicht in gleicher Weise finden, zum Beispiel in Bezug auf die Regelung der Rufbereitschaftszeiten und die Frist zur Vorlage eines Versicherungsnachweises. Ob die Regelungen geringfügig sind, ist nach dem Urteil nicht relevant.

Bei der Annahme mit Änderungen handele es sich nur dann nicht um ein neues Angebot im Sinne des § 150 Abs. 2 BGB, wenn der Absendende deutlich macht, dass er nur unverbindliche Änderungswünsche äußert und der Vertrag unabhängig von deren Erfüllung zustande kommen soll. Im Streitfall sei dieser aus Sicht eines objektiven Empfängers nicht der Fall gewesen. Weder dem Zuschlagsschreiben noch dem Vertragsentwurf sei zu entnehmen, dass es sich lediglich um einen optionalen Änderungsvertrag zu einem bereits mit dem Zuschlag zustande gekommenen Vertrag handeln sollte. Schon nach seinem Wortlaut und dem äußeren Bild handele es sich nicht lediglich um einen Änderungsvertrag. Daran ändert sich auch nichts darin, dass das Land aufgefordert hat, mit der Leistung ab dem 01.04.2015 zu beginnen. Diese Aufforderung kann auch als Ausdruck der Erwartung angesehen werden, dass die Beklagten den Vertrag schon unterzeichnen um den Auftrag zu erhalten.

III. Folgen

Das Urteil des Oberlandesgerichts Celle ist unseres Erachtens richtig. Es entspricht den Regelungen des BGB. Öffentliche Auftraggeber machen es sich hier oft zu leicht. Auch das Vergaberecht verlangt, dass alle vertraglichen Vereinbarungen in den Ausschreibungsunterlagen enthalten sind. Änderungen sind – ohne neue Ausschreibung – nur unter den Voraussetzungen des § 132 GWB möglich.

Tatsächlich stellt sich nur in seltenen Fällen ein Problem, da viele Auftragnehmer den Vertrag unterschrieben zurücksenden oder jedenfalls mit Arbeiten beginnen. Spätestens mit Aufnahme der Arbeiten ist aber ein Vertrag (welchen Inhalts auch immer) zustande gekommen, auch wenn der schriftliche Vertrag nicht zurückgesandt wird.

Nach unserer Erfahrung wächst bei Auftragnehmern aber das Problembewusstsein dafür, dass sie nicht verpflichtet sind, solche nachträglich übersandten Verträge zu unterschreiben, um den Auftrag zu erhalten. Auftraggebern kann deshalb nur geraten werden, Vertragsentwürfe bereits als Bestandteil der Vergabeunterlagen mitzuübersenden und zu regeln, dass die Verträge nach Auftragserteilung unterschrieben werden.

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