Haftung des Architekten bei Schwarzarbeit

Der Bundesgerichtshof hat in seinen Entscheidungen seit der Rechtsprechungsänderung mit Urteil vom 01.08.2013 – VII ZR 6/13 mehrfach klargestellt, dass Schwarzgeldabreden dazu führen, dass abgeschlossene Verträge nichtig sind mit der Folge, dass aus diesen Vereinbarungen keine Rechte mehr hergeleitet werden können. Für den Auftraggeber bedeutet dies v.a., dass er im Falle mangelhafter Leistung keine Gewährleistungsrechte geltend machen kann, also weder Nachbesserung noch Schadensersatz oder Minderung fordern kann. Die Fragen dieses Vertragsverhältnisses sind inzwischen in der Rechtsprechung sowohl für den Fall der anfänglichen als auch der nachträglichen Schwarzgeldabrede geklärt.

I. Problematik

Weiterhin nicht geklärt sind aber die Auswirkungen einer Schwarzgeldabrede auf die Haftung der anderen am Bau beteiligten Auftragnehmer. Hier steht insbesondere der Architekt im Focus, wenn er bei der Bauüberwachung pflichtwidrig Mängel des ausführenden – schwarz tätigen – Unternehmer übersieht. Wir haben hierauf bereits vor einigen Jahren hingewiesen. Dieselbe Problematik stellt sich aber für alle am Bau Beteiligten, die bei ordentlicher Beauftragung in ein Gesamtschuldverhältnis mit dem schwarz tätigen Unternehmen stehen könnten, also z.B. davor und insbesondere im Anschluss tätige Unternehmen, die auf die mangelhafte Leistung des Vorunternehmens aufbauen.

Immer stellt sich die Frage welche Folgen der Ausschluss von Gewährleistungsrechten wegen Schwarzgeldabrede auf die Ansprüche des Auftraggebers gegen andere am Bau beteiligte Unternehmen hat, die für einen vom schwarz tätigen Unternehmen verursachten Mangel aufgrund fehlender Überwachung oder Bedenkenanzeige ebenfalls haften.

Seit 2013 hat sich in der Rechtsprechung zu diesem Thema nichts getan, bis jetzt.

Es ist wieder das OLG Schleswig, dass mit Urteil vom 22.03.2018 – 7 U 48/16 die Problematik angesprochen und die Auffassung vertreten hat, dass in einem solchen Fall auch Mängelrechte gegen den bauüberwachenden Architekten ausgeschlossen sind. Dies ist vor dem Hintergrund interessant, dass ein Urteil des OLG Schleswig auch Anlass für die Rechtsprechungsänderung des Bundesgerichtshofs in 2013 war.

II. Fall und Entscheidung

Dem Urteil des OLG Schleswig lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem der Auftraggeber Abbrucharbeiten in Eigenleistung erbringen wollte. Auf (jedenfalls teilweise) Vermittlung des Architekten waren Bauhelfer tätig, die schwarz bezahlt wurde. Bauhelfer waren u.a. der Sohn des Architekten und dessen Freunde, die alle Bauingenieurswesen studierten. Ob der Architekt mit der Überwachung der Abbrucharbeiten beauftragt war, blieb zwischen den Parteien bis zum Ende streitig. Der Architekt hat behauptet nicht gewusst zu haben, dass die Helfertätigkeiten schwarz erfolgten. Diese Behauptung hat das Landgericht nach Zeugenvernehmungen als bewiesen angesehen. Die Abbrucharbeiten wurden mangelhaft ausgeführt. Der Bauherr möchte vom Architekten Schadensersatz, weil dieser die Abbrucharbeiten nicht ordnungsgemäß überwacht habe.

Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht haben den Anspruch auf Schadensersatz abgelehnt. Dies hat das Oberlandesgericht schon damit begründet, dass keine Beauftragung nachgewiesen sei, im Übrigen aber auch damit, dass die (Dienst-) Verträge mit den Bauhelfern aufgrund Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 Nr. 1 SchwarzArbG, § 134 BGB nichtig sind und deshalb der Bauherrn hier keine Ansprüche hat. Daraus folgt nach Auffassung des Oberlandesgerichts aber auch, dass die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Bauüberwacher, der im Innenverhältnis von den ausführenden Personen regelmäßig 100 % Freistellung verlangen könnte, gemäß § 242 BGB eine unzulässige Rechtsausübung darstellt. Mit dem generalpräventiven Zweck des Schwarzarbeitsverbotes ist es nicht vereinbart, dass der Auftraggeber Schadensersatzansprüche gegen den gutgläubigen, baubegleitenden Architekten geltend macht und damit letztlich doch Gewährleistungsansprüche hat.

III. Bewertung

Die Ausführungen des Oberlandesgerichts sind im Ergebnis richtig und ihnen ist vollumfänglich zuzustimmen. Das letzte Wort ist zu dieser Rechtsfrage aber sicherlich noch nicht gesagt und es gibt bisher keine rechtsichere Lösung der Problematik.

Zwar besteht bei Rechtsanwälten und Richtern, die sich mit dieser Frage bereits auseinandergesetzt haben, Einigkeit, dass die geänderte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu Lasten gutgläubiger Architekten oder sonstiger gutgläubiger Beteiligter gehen sollte und diese durch eine Schwarzgeldabrede zwischen Bauherrn und einem ausführendem Unternehmen keine Nachteile erleiden dürfen.

Schwierig ist aber die rechtliche Begründung. Hier werden verschiedene „Klimmzüge“ unternommen um die gewünschte Lösung zu rechtfertigen, ohne dass eine der bisher vorgeschlagenen rechtlichen Lösungswege vollends überzeugt. Dass sich insbesondere Richter mit der Begründung, schwer tun, zeigt auch das Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig. Das Oberlandesgericht bemüht § 242 BGB, also Treu und Glauben, eine Vorschrift, die Juristen nur im Notfall bemühen.  Auch äußert das Oberlandesgericht Schleswig diesen Punkt nur als Hilfsbegründung, der für die konkrete Entscheidung nicht tragend war. Dies kann durchaus den Hintergrund haben, dass die zuständigen Richter eine Diskussion über eine belastbare rechtliche Begründung anstoßen wollen.

Diskutiert wird hier viel, da das Gesetz selbst keine Einschränkung der Haftung des Architekten vorsieht. Dieser hat schließlich selbst eine Überwachungspflicht verletzt und soll dafür haften.

Vorgeschlagenen werden Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG gegen den Bauherrn oder sogar das schwarz tätige Unternehmen diskutiert. Es ist aber zweifelhaft, ob das Verbot der Schwarzarbeit tatsächlich dem Schutz legal tätiger Unternehmen dienen soll, oder nicht doch „nur“ dem öffentlichen Interesse. Meines Erachtens spricht mehr für den 2. Fall.  Daneben wird auch die Anwendung der Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftragung diskutiert, die bei nichtigen Verträgen aber in aller Regel nicht herangezogen werden können, da der schwarz tätige Unternehmer gerade kein Fremdes, sondern ein eigenes Geschäft erfüllen will.

Vorgeschlagenen wird weiter eine analoge Anwendung der Regelungen zu gestörten Gesamtschuld nach §§ 421, 254 BGB analog. Die gestörte Gesamtschuld betrifft den Fall, dass der Bauherr mit einem Gesamtschuldner z.B. ein Erlassvertrag, Vergleich etc schließt oder ein Gesamtschuldner gesetzlich privilegiert ist. Für diesen Fall hat die Rechtsprechung entschieden, dass in diesem Fall u.U. eine sog. beschränkte Gesamtwirkung vorliegen kann mit der Folge, dass der Gläubiger andere Gesamtschuldner nur in Höhe des um den Anteil des privilegierten Schuldners gekürzten Anteils in Anspruch nehmen kann. Dies hätte für den Architekten zu Konsequenz, dass wenn der interne Anteil des schwarz arbeitenden ausführenden Unternehmers bei 100 % liegt, was regelmäßig bei fahrlässigen Überwachungsfehlern der Fall ist, er vom Bauherrn gar nicht in Anspruch genommen werden kann.

Der Fall der Schwarzgeldabrede ist mit demjenigen einer vertraglichen Haftungsprivilegierung, z.B. Beschränkung der Haftung auf vorsätzliches Verhalten, durchaus vergleich. Allerdings setzt eine gestörte Gesamtschuld – wie der Wortlaut schon sagt, eigentlich eine Gesamtschuld voraus. Hier liegt von Beginn an aber bereits keine Gesamtschuld vor. Ob die Rechtsprechung zur gestörten Gesamtschuld auf solche Fälle übertragbar ist, war schon immer streitig. Uns ist bisher kein Urteil bekannt, dass die Übertragung vornimmt. Dafür spricht sicherlich die Vergleichbarkeit der Interessenlage. Dagegen aber, dass die Regelungen in §§ 421 BGB ff. schon durch die gestörte Gesamtschuld weit ausgelegt wurden und eine noch weitergehende Auslegung dem Willen des Gesetzgebers entgegenlaufen könnte. Mit § 650 f hat der Gesetzgeber bei Einführung des neuen Bauvertragsrecht ausdrücklich an der Gesamtschuld zwischen Planern und Bauunternehmen festgehalten und dies sogar gesetzlich geregelt. Der Gesetzgeber hat, obwohl die Problematik bereits diskutiert wurde, keine Regelung zu den Fällen der Schwarzgeldabrede getroffen.

Die Heranziehung von § 242 BGB und dem dahinter stehenden Gedanken von Treu und Glauben ist sicherlich richtig. Ob damit über das Fehlen einer gesetzlichen Regelung hinweggeholfen werden kann, ist aber fraglich. Zudem wird § 242 BGB nur den gutgläubigen Architekten, Mitunternehmer schützen.

Wenn der Architekt aber von der Schwarzgeldabrede weiß, z.B. weil der Auftraggeber ihm dies mitgeteilt hat oder ihm hierfür keine Ausschreibung vorgelegt oder er nachträglich davon erfährt, z.B. bei fehlender Prüfung von nicht vorhandenen Abschlagsrechnungen, wollen ihm die meisten Stimmen in der Literatur den Schutz versagen. Da der Planer zu diesen Zeitpunkten aber regelmäßig schon beauftragt ist. Ob die Beschäftigung eines schwarz tätigen Unternehmens einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellt ist ungeklärt. In jedem Fall sollte der Architekt den Auftraggeber (nachweisbar) aufgefordert haben an der Schwarzgeldabrede nicht festzuhalten und darauf hinweisen, dass er hierfür keine Haftung übernimmt. Dann besteht zumindest die Hoffnung, dass Gerichte den Architekten auch in diesem Fall helfen. Die vollständige Haftungsübernahme durch den Architekten ist meines Erachtens auch im Falle der Kenntnis nichts fair, da der Bauherr, der den Vertrag mit Schwarzgeldabrede abgeschlossen hat, am Ende ohne zivilrechtlichen Schaden davon kommt. Allerdings kann es auch im Interesse des Gesetzgebers sein Architekten beim Kampf gegen die Schwarzarbeit einzuspannen und sei durch den Druck ansonsten selbst haften zu müssen.

IV. Ausblick

Rechtssicherheit bringt das Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig den Beteiligten nicht. Zwar ist es für Architekten ein positives Zeichen, dass ein erstes Oberlandesgericht eine Haftung der Architekten in solchen Fällen ablehnt. Es ist aber unklar, ob andere Gerichte die rechtliche Begründung für tragfähig halten oder nicht gegen Architekten entscheiden mit Hinweis auf die fehlende Tätigkeit des Gesetzgebers. Jedenfalls Architekten, die von der Schwarzgeldabrede Kenntnis haben, sind einem hohen Risiko ausgesetzt am Ende für Mängel des schwarz tätigen Unternehmers zu haften.

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Eine Antwort

  1. Sabine Przerwok sagt:

    Auf derselben Linie ist auch das Landgericht Bonn in einer erst jetzt veröffentlichten Entscheidung vom 08.03.2018 – 18 O 250/13. Dort hat das Landgericht Bonn entschieden, dass die Haftung eines Architekten wegen Bauüberwachungsfehlern nach § 242 BGB enthällt, wenn der Bauherr mit dem Bauunternehmen, das die fehlerhaft überwachten Arbeiten durchgeführt hat, eine Schwarzgeldabrede getroffen hat.

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