Unwirksame Abnahmeklauseln und ihre Folgen – eine unendliche Geschichte

Bei einer Vielzahl von Bauträgerverträgen der vergangen Jahre bis Jahrzehnte ist die Abnahme des Gemeinschaftseigentums nicht erfolgt, weil die in den Bauträgerverträgen vorgesehenen Abnahmen durch vom Bauträger benannte Sachverständige, Verwalter etc. unwirksam sind. Wir haben auf die Problematik bereits in mehreren Blogbeiträgen hingewiesen.

Diese Entscheidungen des BGH zur Unwirksamkeit von Abnahmeklauseln werfen eine Reihe von Folgefragen auf, zu denen sich der BGH bisher nicht geäußert hat. Durch die fehlende Abnahme des Gemeinschaftseigentums befinden sich die Bauträgerverträge rechtlich weiterhin im sog. Erfüllungsstadium. Zudem sahen viele Bauträgerverträge vor, dass Kosten und Lasten der Immobilie, z.B. Steuern, Wartung etc. erst mit Abnahme und Übergabe auf den Käufer übergehen. Diese Regeln wurden in der Annahme erstellt, dass Übergabe und Abnahme parallel laufen und somit zu demselben Zeitpunkt eintreten. Nun müssen viele Bauträger Jahre später feststellen, dass dies rechtlich nicht der Fall ist.

Während andere Oberlandesgerichte derzeit ihre ersten Entscheidungen zu den Abnahmeklauseln treffen, ist das Oberlandesgericht München hier weiter und scheint sich der Folgefragen annehmen zu wollen. Über die Entscheidung des OLG München zur Frage der Tragungen von Kosten und Lasten der Immobilie, z.B. Steuern, Wartung hat wir berichtet.

Nun hatte sich das Oberlandesgericht München in seinem Urteil vom 24.04.2018 – 28 U 3042/17 mit Fragen der Verjährung, Verwirkung sowie des Abzugs Neu für Alt zu in diesen Konstellationen zu befassen.

I. Sachverhalt

In dem Fall, der der Entscheidung zugrunde liegt, hat eine Bauträgerin in den Jahren 2003/2004 in München eine Wohnungseigentumsanlage errichtet. Beworben wurde das Objekt mit „Direkt am Park bauen wir insgesamt vier Häuser in anspruchsvoller Architektur mit Stadtwohnungen der Spitzenklasse“ und weiteren Formulierungen, wie sie in Exposé und Werbematerialien regelmäßig zu finden sind.

Alle Bauträgerverträge enthielten die Regelung, dass die Abnahme durch den Verwalter erfolgt, der verpflichtet ist einen vereidigten Sachverständigen seiner Wahl hinzuziehen. Der Verwalter sollte dabei vom Bauträger bestimmt werden mit einer Höchstvertragsdauer von 5 Jahren. Die Abnahme durch den Verwalter unter Hinzuziehung des Sachverständigen erfolgte im Jahr 2004.

Im Juli 2016, also mehr als 12 Jahre nach der „Abnahme“ rügte die WEG, dass von Aufzugsanlagen unzulässige Geräuschbelästigungen ausgehen und zwar seit Jahren.  Es seien weder die Anforderungen an den Mindestschallschutz erfüllt, noch die Anforderungen an den erhöhten Schallschutz, der aufgrund der Anpreisungen im Verkaufsprospekt geschuldet sei. Im Prozess verlangt die WEG EUR 190.000,00 Vorschuss für die Mangelbeseitigung.

Der Bauträger verteidigt sich mit Argumenten der Verjährung und Verwirkung. Zudem ist er der Ansicht, dass jedenfalls ein sog. Abzug Neu-für-Alt in Höhe von EUR 70.000,00 erfolgen müsse, da die WEG die Aufzugsanlage fast einen kompletten Lebenszyklus genutzt hat und die Mängel erstmals im Jahr 2016 gerügt wurde.

II. Entscheidung

Das Oberlandesgericht hat, ebenso wie das Landgericht, der Klage der WEG weitgehend stattgeben, aber anders als das Landgericht die Mehrwertsteuer zugesprochen, dafür aber einen Abzug Alt für Neu vorgenommen.

Dass die Abnahmeregelungen in den Bauträgerverträgen unwirksam sind, stellt das Oberlandesgericht mehr fest, als es dies begründet. Zu Recht, entspricht die Unwirksamkeit der Abnahmeregelung doch inzwischen der gefestigten Rechtsprechung.

Bei der – ausnahmsweisen – Zulässigkeit des Anspruchs auf Kostenvorschuss ohne Abnahme verweist das Oberlandesgericht auf die entsprechende Entscheidung des BGH vom 12.05.2016 – VII ZR 171/15, in der der BGH entschieden hat, dass sich der Bauträger auf die Unwirksamkeit der Klausel nicht berufen könne.

Der Anspruch auf Vorschuss ist auch nicht verjährt. Verjährungsbeginn ist mit der Abnahme. Ohne Abnahme keine Verjährungsbeginn. Zwar kommt grundsätzlich die Verjährungshöchstfrist von 10 Jahren nach § 199 Abs. 4 BGB in Betracht. Auch diese 10 Jahresfrist setzt aber voraus, dass der Anspruch bereits entstanden ist. Der Anspruch auf Ersatzvornahme, Schadensersatz etc. entsteht aber erst mit Ablauf der Nachfristsetzung.

Zudem ist der Anspruch nach Auffassung des Oberlandesgerichts auch nicht verwirkt. Verwirkung ist ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichem Verhalten. Verwirkung besteht aus einem Zeit- und einem Umstandsmoment. Neben dem Ablauf eines Zeitraums, der die normaler Verjährungsfrist übersteigt, müsste der Bauträger auch darauf vertraut und sich eingerichtet haben, dass das Recht in Zukunft nicht mehr geltend gemacht wird. Dieses Vertrauen konnte nach Ansicht des Oberlandesgerichts beim Bauträger nicht entstehen, weil er es durch die Verwendung der unwirksamen Klausel selbst zu vertreten haben, dass die Gewährleistungsfrist nicht anfängt.

Allerdings muss der Bauträger nicht EUR 190.000,00 bezahlen, sondern „nur“ EUR 120.000,00, weil die WEG sich einen Abzug neu für alt gefallen lassen muss. Dem steht auch nicht entgegen, dass in der Rechtsprechung seit Jahren anerkannt ist, dass ein Abzug neu für alt nicht erfolgt, wenn der Besteller eine mangelhafte Sache lange nutzt, weil der Hersteller die Mangelbeseitigung verweigert. Allein Zeitablauf führt nicht zu einem Abzug neu für alt. Hier hat die WEG die Mängel aber erstmals 2016 gerügt und dem Bauträger somit auch erst 2016 überhaupt die Möglichkeit gegeben, die Mängel zu beseitigen. Der vorangegangene Nutzungszeitraum ist zu berücksichtigen, auch wenn der Mangel schon vorlag.

III. Bewertung der Entscheidung 

Bei den Fragen Verjährung und Abzug neu für alt ist die Entscheidung richtig, bezüglich der Frage der Verwirkung wirft die Entscheidung dagegen mehr Fragen auf als sie beantwortet.

Mangels Abnahme keine Verjährungsbeginn, mangels Aufforderung zur Mangelbeseitigung keine Anspruchsentstehung und damit auch keine Verjährung.

Der Abzug neu für alt ist richtig. Nutzt ein Besteller eine Sache über Jahre, ohne die Mängel überhaupt nur zu bemerken oder jedenfalls zu rügen, kann er nicht anschließend eine neue Sache ohne Zusatzkosten verlangen. Ansonsten hätte dies gerade bei kleineren oder optischen Mängeln zur Folge, dass der Käufer/Besteller bis kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist wartet und dann eine neue Sache erhält. Faktisch würde sich damit die Nutzungsdauer und Verjährungsfrist – die mit Mangelbeseitigung neu beginnt – mindestens verdoppeln. Dies entspricht nicht dem wirtschaftlichen Gleichgewicht.

Problematisch sind dagegen die Ausführungen des Oberlandesgerichts zur Verwirkung. Nicht jeder Bauträger verfügt über eine Rechtsabteilung und ein Großteil der Bauträger ging jedenfalls in den Jahren 2003/2004 noch davon aus, dass die Regelungen zur Abnahme wirksam sind. Auch Bauträger verlassen sich auf Vorschläge der Notare und deren fachliche Kompetenz. Zudem hätten die Ausführungen des Oberlandesgerichts zur Folge, dass in dem Fall, dass der Schuldner den Nichteintritt der Verjährung zu vertreten hat, nie Verwirkung eintreten kann. Dies ist mit dem Ziel der Rechtssicherheit, die irgendwann eintreten muss, nicht vereinbar. Zudem ist auch die Situation der Bauträger zu berücksichtigen, die bei ihren Subunternehmern aufgrund von Verjährung oder Verwirkung keinen Rückgriff nehmen können und diese Ansprüche komplett selbst zu tragen haben. Ob Ansprüche gegen den beurkundenden Notar durchsetzbar sind, ist ebenfalls zweifelhaft.

IV. Fazit

Die Entscheidung zeigt, dass die Thematik der unwirksamen Abnahmeklauseln für Bauträger noch lange nicht ausgestanden ist und hier auch lange nach Ablauf von 5 oder 10 Jahren seit der Übergabe noch Ansprüche der WEG drohen. Gegen die eigenen Subunternehmer bestehen dann in aller Regel keine Ansprüche mehr, so dass der Bauträger auf den Mangelbeseitigungskosten sitzen bleibt. Zudem sollten Bauträger – anders als der Bauträger im Fall des Oberlandesgerichts – Unterlagen aus Bauvorhaben in dieser Zeit aufbewahren um nicht aufgrund fehlender Unterlagen in Beweisnot zu geraden.

aber auch, dass auf die Formulierung in Bauträgerverträgen in Zukunft mehr geachtet werden muss und blindes Vertrauen in den Vorschlag des Notars nicht immer angebracht ist.

Zudem kommen in solchen Fällen ggf. Rückgriffsansprüche gegen den beurkundeten Notar in Betracht. Dann müssen Streitverkündungen erfolgen oder jedenfalls geprüft werden.

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