BAG kippt Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen im Baugewerbe

I. Sachverhalt

Tarifverträge haben grundsätzlich Geltung zwischen Tarifvertragsparteien, also denjenigen, die einen solchen Tarifvertrag abgeschlossen haben. Allerdings kann eine Geltung auch über eine sogenannte Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) von Tarifverträgen durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) erzielt werden. Voraussetzung hierfür war nach bisheriger Gesetzeslage, dass 50% der unter den Geltungsbereich der Tarifverträge fallenden Arbeitnehmer bei tarifgebundenen Arbeitgeber der Baubranche beschäftigt sind. Im Baugewerbe hat das BMAS hiervon Gebrauch gemacht und die Tarifverträge der Baubranche (VTV Bau) für alle Arbeitgeber für allgemeinverbindlich erklärt. Diese Tarifverträge regeln das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe. Bei den Sozialkassen des Baugewerbes (SOKA BAU) handelt es sich um gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Die SOKA Bau erbringt  Leistungen zur Urlaubsabwicklung, zum Berufsbildungsverfahren sowie zusätzliche Altersversorgungsleistungen. Die Finanzierung dieser Leistungen erfolgt durch Umlagezahlungen der Arbeitgeber in Höhe von bis zu 20% der Bruttolohnsumme. Die Allgemeinverbindlicherklärung hatte zur Folge, dass alle Betriebe der Baubranche zur Zahlung von Beiträgen an die SOKA Bau verpflichtet waren. Diese AVE wurde von Arbeitgebern mehrfach gerichtlich angegriffen.

II. Entscheidung

Nun hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) unter anderem mit Beschluss vom 21.09.2016 entschieden, dass AVE für VTV Bau aus den Jahren 2008, 2010 und 2014 unwirksam sind. Nach Auffassung des BAG gab es keine tragfähige Grundlage für die Annahme des Bundesministeriums, dass zum Zeitpunkt des Erlasses mindestens 50% der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer bei tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigt waren.

III. Folgen für die Praxis

Die Auswirkungen für die Praxis sind enorm, denn die Entscheidung wirkt gem. § 98 Abs. 4 ArbGG für und gegen jedermann, so dass sich alle Arbeitgeber darauf berufen können, unabhängig davon, ob Sie selbst einen Rechtsstreit geführt haben.

Darüber hinaus sind Verfahren anhängig, die die AVE aus den Jahren 2006, 2012 und 2013 betreffen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das BAG auch diese AVE für unwirksam erklärt. Damit wäre die Rechtsgrundlage für die Einziehung der Beiträge für die Jahre 2006 – 2014 gegenüber vielen Betrieben entfallen. Eine Beitragspflicht bestünde im betreffenden Zeitraum demnach nur für tarifgebundene Arbeitgeber. Andere Arbeitgeber der Baubranche seien nicht verpflichtet gewesen, für diesen Zeitraum Beiträge zu leisten.

Ob allerdings Rückforderungsansprüche betroffener Betriebe geltend gemacht werden können, ist fraglich. Jedenfalls für rechtskräftig abgeschlossene Klageverfahren über Beitragsansprüche hat das BAG eine Rückforderung im Wege der Restitutionsklage nach § 580 ZPO ausgeschlossen. Die Klage wäre jedoch ohnehin nur innerhalb eines Monats ab Bekanntwerden des Restitutionsgrundes zu erheben. Zumindest im Hinblick auf die bereits entschiedenen Verfahren für die AVE für die Jahre 2008, 2010 und 2014 ist diese Frist bereits abgelaufen.

Jedenfalls kommen in allen Fällen aber bereicherungsrechtliche Ansprüche in Betracht, da die Beitragszahlung ohne Rechtsgrund erfolgt ist. Aus diesem Grund sollte die Rückforderung von Beitragsansprüchen zeitnah geprüft werden.

Über den Autor:

Ina Bender ist Rechtsanwältin bei Bartsch Rechtsanwälte in Karlsruhe und schwerpunktmäßig im Arbeitsrecht tätig.

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