Vergabe von Planungsleistungen – wie geht es weiter?

Die Vergabe freiberuflicher Leistungen, insbesondere Planungsleistungen unterliegt einigen Besonderheiten. Zwar stehen Planungsleistungen häufig mit Bauleistungen im Zusammenhang, sie selbst stellen aber Dienstleistungen dar und werden deshalb nach den Vorschriften des VgV oder der UVgO vergeben. Abschnitt 6 der VgV trifft einige Sonderregelungen für die Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen, insbesondere die Regelung, dass eine Vergabe regelmäßig im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb erfolgt. Daneben enthält § 3 Abs. 7 S. 2 VgV eine Sonderregelung zur Auftragswertbestimmung. § 3 Abs. 7 VgV lautet:

(7) Kann das beabsichtigte Bauvorhaben oder die vorgesehene Erbringung einer Dienstleistung zu einem Auftrag führen, der in mehreren Losen vergeben wird, ist der geschätzte Gesamtwert aller Lose zugrunde zu legen. Bei Planungsleistungen gilt dies nur für Lose über gleichartige Leistungen. Erreicht oder überschreitet der geschätzte Gesamtwert den maßgeblichen Schwellenwert, gilt diese Verordnung für die Vergabe jedes Loses.


I. Aktuelle Vergabepraxis

Die deutsche Vergabepraxis legte die Regelung, insbesondere den Begriff „gleichartige Leistungen“ viele Jahre anhand der Leistungsbilder der HOAI aus, mit der Folge dass z.B. Planungsleistungen für Gebäude als nicht gleichartig mit TGA-Planungsleistungen für dasselbe Vorhaben angesehen wurden.

Dies hatte zur Folge, dass nur die wenigsten Planeraufträge den europaweiten Schwellenwert für Dienstleistungen von aktuell EUR 215.000,00 überstiegen. Schätzungen gehen davon aus, dass mehr als 90 % der Planervergaben nicht nach den Vorschriften der VgV erfolgen. Zwar gibt seit einigen Jahren auch die UVgO Vorgaben zur Vergaben unterhalb der Schwellenwerte vor. Allerdings bestehen in den meisten Bundesländern für solche Verfahren keine Rechtsschutzmöglichkeiten. Hinzu kommt, dass die UVgO landesrechtlich umgesetzt werden muss und der persönliche Anwendungsbereich der UVgO erheblich von § 99 GWB abweicht, also nicht alle öffentlichen Auftraggeber nach § 99 GWB auch an die Vorschriften der UVgO gebunden sind. So sieht Ziffer 1.2. der VwV Beschaffung Baden-Württemberg vor, dass diese Verwaltungsvorschrift, die auch die Anwendbarkeit der UVgO regelt, nur für Behörde und Betriebe des Landes sowie landesunmittelbare Betriebe des öffentlichen Rechts Anwendung findet. Offensichtlich nicht vom persönlichen Anwendungsbereich umfasst sind sämtliche juristischen Personen des Privatrechts, aber auch die Kommunen als der wichtigste öffentliche Auftraggeber. Hier spricht Ziffer 4 der VergabeVwV nur eine Empfehlung der Anwendung aus. Für Architekten- und Ingenieurleistungen ist in Ziffer 4.2. sogar ausdrücklich vorgesehen, dass es regelmäßig ausreicht, wenn drei Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert werden, im Ergebnis also eine beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb.

Im Ergebnis ist also davon auszugehen, dass aktuell ca. 60 % der Aufträge für Architekten- und Ingenieurleistungen in der Weise vergeben werden, dass drei (in der Regel bekannte und bewährte) Büros angeschrieben und zur Angebotsabgabe aufgefordert werden und weitere 30 % nach den Vorschriften der UVgO. Und dies eben auch bei Projekten, bei denen die notwendigen Architekten- und Ingenieurleistungen insgesamt mehr als EUR 215.000,00 betragen.

II. Europarechtliche Problematik

Das dies mit dem Ziel der EU einen möglichst fairen, transparenten grenzüberschreitenden Wettbewerb herzustellen, kaum vereinbar ist, überrascht nicht. Die europäische Kommission hat deshalb wiederholt, zuletzt mit Aufforderungsschreiben vom 25.01.2019 diese Vergabepraxis beanstandet und ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen § 3 Abs. 7 S. 2 VgV eingeleitet. Die Architektenkammern und Ingenieurverbände habe – verständlicherweise – seitdem versucht, diese für sie positive Regelung aufrechtzuerhalten. Unterstützt wurden sie dabei von den öffentlichen Auftraggebern, die sich ebenfalls europaweiten Vergabeverfahren nach der VgV und den damit verbundenen Kontrollen entziehen wollten. Zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern bestand also Einstimmigkeit. Die Begründung für die vermeintliche Zulässigkeit der bisherigen Regelung und Praxis waren häufig eher praktischer, als rechtlicher Natur.

III. Referentenentwurf einer Verordnung zur Anpassung des Vergaberechts an die Einführung neuer elektronischer Standardformulare („eForms“)

Drei Jahre nach Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens liegt nun der Referentenentwurf einer Verordnung zur Anpassung des Vergaberechts an die Einführung neuer elektronischer Standardformulare („eForms“) vor. Und dieser enthält, rechtlich nicht überraschend, die Streichung des § 3 Abs. 7 S. 2 VgV. Allerdings verbunden mit der Erklärung, dass die Bundesrepublik Deutschland auf eine Erhöhung der Schwellenwerte hinwirken will.

Begründet wird die Abschaffung damit, dass damit den Bedenken der EU-Kommission, wie sie im Vertragsverletzungsverfahren vorgebracht werden, entsprochen wird.

IV. Konsequenzen

Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird die vergaberechtliche Privilegierung von Architekten und Ingenieuren zeitnah wegfallen und eine Behandlung erfolgen, wie bei allen Dienstleistungen. Dies bedeutet aufgrund der Differenz zwischen Schwellenwerten für Dienst- und Lieferleistungen und Bauleistungen aber auch, dass Architekten und Ingenieure im Verhältnis zu Bauunternehmen „benachteiligt“ werden, also Architekten- und Ingenieurleistungen für Vorhaben europaweit ausgeschrieben werden und die Bauleistungen für dasselbe Projekt nur national.

V. Entwicklung

Direkt nach Bekanntwerden der Überlegungen der Bundesregierung zum Referentenentwurf, starteten die Forderungen von Architekten- und Ingenieurvertretern, wonach es im Gegenzug zu einer Erhöhung der Schwellenwerte für ihre Leistungen kommen müsse oder – falls ein eigener Schwellenwert für Architekten- und Ingenieurleistungen nicht durchzusetzbar sein sollte – diese als soziale und andere besondere Dienstleistungen im Sinne des Anhangs XIV der Richtlinie 2014/24/EU anerkannt werden, womit ein Schwellenwert von EUR 750.000,00 einhergehen würde. Beide Forderungen dürften kaum durchsetzbar sein.

Unterstützung erhalten alle Dienstleister aber vom Bundesrat. Er hat sich auf seiner Sitzung am 10. Februar 2023 dafür ausgesprochen, die Schwellenwerte europaweiter Ausschreibungen für öffentliche Aufträge zu erhöhen. Begründet wird dies aber nicht mit den Architekten- und Ingenieurleistungen, sondern damit, dass die Anpassungen der Schwellenwerte seit ihrer Einführung 1994 nicht mit der Inflation Schritt gehalten haben und deshalb jetzt deutliche mehr Aufträge europaweit ausgeschrieben werden müssen, als dies vor fast 30 Jahren der Fall war.

Soweit zum Teil zu lesen war, dass Deutschland die Schwellenwerte erhöhen werde, ist aber klar darauf hinzuweisen, dass diese Entscheidung weder Bundesrat noch Bundestag treffen, sondern die verbindlichen Schwellenwerte auf EU-Ebene festgesetzt werden. Ob hier die deutschen Forderungen erfolgreich durchgesetzt werden können, ist noch völlig offen.

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