Werdende Wohnungseigentümer – Zweiterwerb der Rechtstellung möglich?

Haben an einer Wohnungseigentumsanlage mehrere Personen Teil- oder Wohnungseigentum, entsteht eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG). Eigentümer werden Käufer aber erst mit Eintragung im Grundbuch. Bis dahin vergeht häufig längere Zeit, z.B. wegen der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen. In aller Regel werden deshalb nicht alle Wohnungseigentümer zeitgleich ins Grundbuch als Eigentümer eingetragen. Die Rechtsprechung hat deshalb die Figur der „Werdenden WEG“ erschaffen.

Damit eine Werdende WEG entsteht, ist erforderlich, dass die Teilung wirksam ist, also für die Wohnungseigentume gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 WEG durch das Grundbuchamt die Wohnungsgrundbücher angelegt worden sind. Mit Eintragung des ersten Erwerbers als Eigentümer für sein Wohnungseigentum ins Grundbuch entsteht dann die endgültige WEG.

Die Rechtsstellung als Werdender Wohnungseigentümer entsteht, wenn ein wirksamer, auf die Übereignung von Wohnungseigentum gerichteter Erwerbsvertrag vorliegt, der Übereignungsanspruch durch eine Auflassungsvormerkung gesichert ist und der Besitz an der Wohnung auf den Erwerber übergegangen ist. In diesem Zeitpunkt hat der Käufer eine rechtlich verfestigte Erwerbsposition und gleichzeitig gehen auf ihn die Lasten der Wohnungen über. Zum Erwerb der Eigentumsposition fehlt im lediglich die entsprechende Eintragung in das Grundbuch. Es ist daher angemessen, ihn weitestgehend genauso zu schützen, wie nach Eintragung ins Grundbuch.

Der Erwerb von Wohnungseigentum in der Entstehungsweise der WEG wird rechtlich besonders behandelt, da die sogenannten Werdenden Wohnungseigentümer ein berechtigtes Interesse daran haben, die mit dem Wohnungseigentum verbundenen Mitwirkungsrechte an der Verwaltung der Wohnungsanlage vorzeitig auszuüben.

Auf die Werdende Wohnungsgemeinschaft werden daher einige WEG-rechtliche Vorschriften (§§ 10 bis 29, 43 f. WEG) entsprechend angewandt, um so den werdenden Wohnungseigentümer weitestgehend vergleichbare Rechte und Pflichten zu gewähren.

Bisher ungeklärt war allerdings die Frage, ob man die Stellung als Werdender Wohnungseigentümer auch übertragen kann, z.B. wenn die Wohnung verkauft wird, bevor der Verkäufer als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen wird.

I. Die Entscheidung

Diese Frage hatte der Bundesgerichtshof jetzt in seinem Urteil vom 24.07.2015, Az. V ZR 275/14, zu entscheiden und im Ergebnis abgelehnt.

Der Entscheidung lag der folgende Sachverhalt zu Grunde:

Die Klägerin, eine WEG, hatte von der Beklagten die Zahlung von Abrechnungsspitzen, rückständiges Hausgeld und die anteilige Zahlung einer Sonderumlage verlangt.

Die Beklagte war bisher nicht als Eigentümerin des Wohnungseigentumsanteils ins Grundbuch eingetragen. Die Tochter der Beklagten (Streitverkündete) hatte mit notariellem Vertrag vom 2. Oktober 2012 die Wohnung an die Beklagte veräußert. Zu diesem Zeitpunkt war die Streitverkündete nicht ins Grundbuch eingetragen, jedoch hatte sie eine Auflassungsvormerkung erworben und seit spätestens 2006 war ihr die Wohnung durch die Bauträgerin zu Nutzung überlassen worden. Zudem war seit 2004 einer der Erwerber als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen. Es bestand daher eine WEG und die Streitverkündete hatte die Stellung als Werdende Wohnungseigentümerin erlangt.

Die Streitverkündete trat daher der Beklagten die Auflassungsvormerkung ab und die beiden nutzten die Wohnung seitdem gemeinsam. Die Abtretung wurde ins Grundbuch eingetragen.

Die Klägerin war der Auffassung, dass die Beklagte durch diesen Vorgang in die Stellung als Werdende Wohnungseigentümerin der Streitverkündeten eingetreten war und machte daher die Ansprüche gegen die Beklagte geltend.

Der Bundesgerichtshof hat die Revision aus den folgenden Gründen zurückgewiesen.

Gegen die Beklagte besteht kein Anspruch auf Ausgleich der geforderten Zahlungen gemäß § 16 Abs. 2 WEG. Mangels Eintragung in das Grundbuch ist die Beklagte noch keine Wohnungseigentümerin geworden. Die Voraussetzungen von § 16 Abs. 2 WEG liegen daher nicht vor.

Der Bundesgerichtshof lehnt aber auch eine analoge Anwendung von § 16 Abs. 2 WEG ab, da die Beklagte auch nicht als Werdende Wohnungseigentümerin zu beurteilen sei.

Obwohl die Beklagte rein formal als Ersterwerberin zu beurteilen ist, da sie das Eigentum durch Abtretung der Auflassungsvormerkung direkt vom teilenden Eigentümer erhält, beurteilt der Bundesgerichtshof sie als Zweiterwerberin. Die Streitverkündete hat mit dem ersten Erwerb einer gesicherten Rechtsposition von dem Bauträger erhalten. Fortan ist es wie bei einem gewöhnlichen Zweiterwerb ohne weiteres möglich, die Ausübung des Stimmrechts und die Tragung von Kosten und Lasten im Innenverhältnis vertraglich zu regeln.

Für die Übertragung der Grundsätze der Werdenden Wohnungseigentümer auf die Zweiterwerber besteht daher kein Bedürfnis.

Die WEG muss zudem erkennen und unschwer ermitteln können, wer die mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten innehat, also insbesondere wer zu den Eigentümerversammlungen eingeladen werden muss und dort das Stimmrecht ausübt bzw. die Kosten zu tragen hat (Gebot der Rechtssicherheit).

Diese Rechtssicherheit wäre nicht mehr gewährleistet, ginge die Stellung als Werdender Wohnungseigentümer mit der Abtretung der Auflassungsvormerkung mit über, da die Abtretung nach außen nicht erkennbar ist. Die Eintragung ins Grundbuch erfolgt bei der Abtretung einer Vormerkung lediglich deklaratorisch. Auch die Besitzverhältnisse sind nach außen nicht immer unbedingt erkennbar, insbesondere bei einer vermieteten Wohnung.

Ein anderes Ergebnis ist auch nicht durch die Interessen der Beteiligten gerechtfertigt, da sich diese durch entsprechende vertragliche Regelungen im Innenverhältnis entsprechend absichern können. Es besteht daher keine rechtliche Notwendigkeit, die Vorschriften des WEG auf den Zweiterwerber ebenfalls analog anzuwenden.

Das Bedürfnis der WEG ist somit höher zu gewichten. Die Übertragung der Rechtsstellung als Werdender Wohnungseigentümer ist daher abzulehnen.

Die WEG hätte im konkreten Fall also gegen die Streitverkündete vorgehen müssen.

II. Auswirkungen und Bewertung

Auch wenn die WEG den konkreten Prozess verloren hat, so ist das Ergebnis für WEGs positiv.

Durch diese Rechtsprechung erlangt der Zweiterwerber die mitgliedschaftliche Stellung in der WEG erst mit dem vollendeten Eigentumserwerb.

Die Rechtsprechung wird der bestehenden Interesselage gerecht und stellt klar, dass kein Bedürfnis für eine Ausweitung der analogen Anwendung der WEG-Vorschriften besteht. Sie entspricht den gesetzlichen Vorschriften und schafft somit Klarheit für alle Beteiligten. Möchte der Zweitwerber darüber hinaus schon Rechte erlangen, kann er das individualvertraglich regeln.

Die Zweiterwerber werden hierdurch auch nicht übermäßig belastet. Fehlt eine vertragliche Regelung, hat der Zweiterwerber zwar kein Stimmrecht, er muss dann aber auch nicht die Kosten für die beschlossenen Maßnahmen tragen. Es besteht aber auch kein Risiko, dass die Ersterwerber zu einer Übertragung der Stimmrechte nicht bereit sind, da sie sonst auch die Kosten tragen müssen.

Zudem liegt es nach der Abtretung am Zweitwerber, die Vollendung des Eigentumserwerbs herbeizuführen, indem er die Bedingungen schafft, dass er in das Grundbuch eingetragen wird. Bestehen im Zeitpunkt der Veräußerer zwischen Ersterwerber und Bauträger Unstimmigkeiten oder Streitigkeiten, wird der Zweiterwerber diese beim Erwerb und somit auch beim Kaufpreis berücksichtigen. Es ist ihm daher zuzumuten, das Risiko zu tragen, dass der endgültige Eigentumserwerb möglicherweise erst nach einiger Zeit vollzogen wird.

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