Mangelbeseitigung – welche Qualität ist geschuldet

 

Fehler passieren. Ein Bauvorhaben ohne größere Mängel ist tatsächlich kaum denkbar. Im Rahmen der Mangelbeseitigung entstehen oftmals Streit über das ob, wie und die Tragung der anfallenden Kosten. Ein Streitpunkt ist, welche Qualität bei der Mangelbeseitigung geschuldet ist. Dabei gilt, dass ohne abweichende Vereinbarung regelmäßig der Stand der Technik geschuldet ist. Auch bei Mangelbeseitigungsarbeiten stellt sich aber die Frage, auf welchen Zeitpunkt für den Stand der Technik abzustellen ist.

I. Problemstellung

Die Gewährleistungsfrist für Mängel bei Bauvorhaben beträgt regelmäßig fünf Jahre. Dies gilt in der Regel sogar beim VOB/B – Vertrag, bei dem nach § 13 Abs. 4 Nr. 1 VOB/B eine Verjährungsfrist von vier Jahren vorgesehen ist.

Voraussetzung für Mängelgewährleistungsansprüche ist immer, dass der gerügte Mangel zum Zeitpunkt der Abnahme vorlag. Ohne Abnahme gibt es keine Mängelgewährleistungs- sondern Erfüllungsansprüche und die Problematik stellt sich nicht in gleicher Weise. Wurde aber die Abnahme erklärt, vergehen oftmals Monate bis Jahre bis sich der konkrete Mangel bemerkbar macht. Bis zur Mangelbeseitigung vergehen dann – zum Beispiel wenn ein Sachverständiger eingeschaltet oder sogar ein gerichtliches selbstständiges Beweisverfahren durchgeführt wird – Jahre bis Jahrzehnte.

Findet dann nach Jahren die Mangelbeseitigung statt, haben sich die rechtlichen Vorgaben, z.B. zum Brandschutz oder zur EnEV ebenso häufig geändert wie es technische Weiterentwicklungen gibt, die den Stand der Technik beeinflussen.

Der Bauherr möchte dann keinen veralteten Stand der Technik erhalten. Der Auftraggeber möchte andere, als ursprünglich geschuldete Leistungen, jedenfalls nur dann ausführen, wenn er dafür eine zusätzliche Vergütung erhält.

II. Bewertung

Nach den Regelungen zum Werkvertragsrecht in §§ 631ff BGB, VOB/B ist der Stand der Technik zum Zeitpunkt der Abnahme geschuldet.

Dies spricht dafür, auch für die Qualität der Mangelbeseitigung auf den Zeitpunkt der Abnahme abzustellen.

Der 10. Senat des Oberlandesgerichts Stuttgart sieht dies aber – jedenfalls für den VOB-Vertrag – in zwei Entscheidungen (Beschluss vom 14.09.2011 – 10 W 9/11, Urteil vom 03.07.2012 – 10 U 33/12) anders und geht davon aus, dass der Stand der Technik zum Zeitpunkt der Vornahme der Mangelbeseitigungsarbeiten geschuldet ist.

Das Oberlandesgericht begründet seine Entscheidung damit, dass das Werk zum Zeitpunkt der Abnahme den anerkannten Regeln der Technik als vertraglichen Mindeststandart entsprechen muss. Änderungen nach der Abnahme haben auf die Leistungspflicht des Auftragnehmers regelmäßig keine Auswirkungen. Anders sei dies jedoch dann, wenn die Leistung des Unternehmers bei Abnahme mängelbehaftet war. Hintergrund ist, dass die VOB/B auch für die Mangelbeseitigung eine Abnahme vorsieht. Vom Auftraggeber kann eine Abnahme aber nur verlangt werden, wenn das Werk den Anforderungen zum Zeitpunkt der Abnahme entspricht.

Für den Auftragnehmer kommt es nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart aber noch schlimmer. Das Oberlandesgericht Stuttgart geht davon aus, dass Mehrkosten, für zusätzliche Leistungen, die aufgrund der nachträglichen Änderungen des Standes der Technik erforderlich werden, vom Auftraggeber nur unter sehr engen Voraussetzungen erstattet werden müssen. Zunächst geht das Oberlandesgericht Stuttgart gemäß der Definition der sowieso Kosten zu Recht davon aus, dass solche nicht vorliegen, weil die Kosten nicht angefallen wären, wenn der Auftragnehmer ursprünglich mangelfrei geleistet hätte.

Als kann der Auftragnehmer seinen zusätzlichen Aufwand nur erstattet verlangen, wenn durch die zusätzlichen Leistungen dem Auftraggeber ein Vorteil entsteht, zum Beispiel eine deutlich verlängerte Nutzungsdauer (Vorteilsausgleichung). Dabei werden Nutzungszeiträume mit Mängeln aber nicht berücksichtigt. Den Vorteil muss zudem der Auftragnehmer beweisen.

III. Tipp für die Praxis

Das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart ist für Auftragnehmer von erheblicher Bedeutung. Bisher existieren keine weiteren – gegenteiligen – Entscheidungen zu diesem Thema. In der juristischen Literatur sind die Entscheidungen überwiegend als richtig angesehen wurden.

Zudem sind die Entscheidungen zwar zu VOB/B-Verträgen ergangen, dürften aber auch auf BGB-Verträge übertragbar sein. Das BGB sieht zwar keine Abnahme für Mangelbeseitigungsarbeiten vor. Auch hier hat der Auftraggeber aber Anspruch darauf, dass er ein mangelfreies Werk erhält. Dies ist bei Mangelbeseitigungsarbeiten aber nur der Fall, wenn das Werk die Anforderungen im Zeitpunkt der Mangelbeseitigung erfüllt.

Warum hier – wie das Oberlandesgericht Stuttgart meint – auf den Zeitpunkt der Ausführung der Mangelbeseitigungsarbeiten abzustellen ist und nicht auf die Abnahme oder ob es sich dabei nur um eine sprachliche Unklarheit handelt, ist für den VOB/B-Vertrag nicht nachvollziehbar.

Die Regelungen zur Vorteilsausgleichungen helfen dem Auftragnehmer im Regelfall nicht weiter. Nur in besonderen Fällen wird der Nachweis gelingen, dass der Auftraggeber durch die nachträglichen Arbeiten einen Vorteil hat und das dessen Bezifferung auch den zusätzlichen Aufwand beim Auftragnehmer abdeckt.

In der Praxis ist deshalb darauf zu achten, dass man berechtigte Mangelbeseitigungsverlangen zeitnah durchgeführt werden und auf Änderungen des Standes der Technik oder rechtlicher Vorgaben Rücksicht genommen wird.

Auftragnehmer sollten solche Fälle deshalb in der Kalkulation ihrer Preise berücksichtigen, was wiederrum zu einer noch weiteren Verteuerung der Baupreise führt.

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Eine Antwort

  1. Dazu neue Entscheidung BGH vom 14.11.2017 Az. VII ZR 65/14

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