Keine Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch einen vom Bauträger bestellten Sachverständigen

Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums hat für den Bauträger eine wichtige Bedeutung, da mit ihr die Gewährleistungsfrist zu laufen beginnt. Grundsätzlich kann jeder Erwerber das Gemeinschaftseigentum selbstständig abnehmen. Damit die Bauträger Gewissheit über den Beginn und vor allem das Ende der Gewährleistungsfrist haben, nehmen sie in ihren Bauträgerverträgen Regelungen auf, die eine einheitliche Abnahme aller Miteigentümer ermöglichen sollen. Eine Regelung, die vorsieht, dass die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch einen Verwalter zu erfolgen hat, der vom Bauträger selbst bestellt wird, sog. Erstverwalter, ist unwirksam (vgl. Blogbeitrag vom 03.07.2018).

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte (erneut) die Frage zu entscheiden, ob die Abnahme durch einen vom Bauträger bestellten Sachverständigen wirksam ist.

I. Fall (vereinfacht)

Die Klägerin machte aus einem Bauträgervertrag aus dem Jahr 1999 unter anderem Nacherfüllungsansprüche und Schadensersatz wegen Mängel am Gemeinschaftseigentum geltend.

Die Klägerin erwarb eine Wohnungseinheit in einer Wohnanlage mit sieben weiteren Wohneinheiten. Die Abnahmeregelung für das Gemeinschaftseigentum ist im Bauträgervertrag wie folgt geregelt:

„Die Abnahme der Anlagen und Bauteile, die im gemeinschaftlichen Eigentum aller Miteigentümer stehen (gemeinschaftliches Eigentum), erfolgt für die Wohnungseigentümer (Erwerber) durch einen von dem Verwalter zu beauftragenden vereidigten Sachverständigen.“

Der Bauträgervertrag sah weiter vor, dass die Bestellung des Erstverwalters in der ersten Eigentümerversammlung erfolgen sollte und der Bauträger den jeweiligen Erwerber unwiderruflich bevollmächtigt, bis zur Eigentumsumschreibung alle Rechte eines Eigentümers wahrzunehmen, und insoweit auf die Wahrnehmung eigener Rechte als Noch-Eigentümer verzichtet.

Nachdem der Erstverwalter durch Mehrheitsbeschluss der Erwerber bestellt wurde, nahm der vom Erstverwalter beauftragte Sachverständige das Gemeinschaftseigentum ab.

II. Urteil des OLG Karlsruhe vom 10.04.2018, Az. 8 U 19/14

Das Oberlandesgericht Karlsruhe entschied – wie zuvor bereits eine Reihe anderer Gerichte – , dass die Nacherfüllungsansprüche mangels wirksamer Abnahme des Gemeinschaftseigentums noch nicht verjährt sind. Die Verjährung hat noch nicht zu laufen begonnen.

Die vom Sachverständigen durchgeführte Abnahme hat mangels wirksamer (Unter-) Bevollmächtigung keine Wirkung für und gegen die Klägerin entfaltet.  Die zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums im Bauträgervertrag enthaltene Bestimmung führt zu einer unangemessenen Benachteiligung der Erwerber und ist somit unwirksam.

Im Einzelnen:

Der Bauträger bleibt solange Eigentümer der einzelnen Wohnungseinheiten, bis das Eigentum auf die einzelnen Erwerber übertragen wird.

Die Regelung, die die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch einen vom Bauträger zu benennenden Sachverständigen vorsieht, benachteiligt die Erwerber unangemessen. Den Erwerbern wird die Möglichkeit genommen, selbst darüber zu entscheiden, ob die Werkleistung des Bauträgers ordnungsgemäß erfolgte oder nicht. Die gesetzliche Möglichkeit des Widerrufs der formularmäßig erteilten Vollmacht kompensiert die unangemessene Benachteiligung jedenfalls dann nicht, wenn die Regelungen des Bauträgers nicht sicherstellen, dass der Erwerber von dem Abnahmetermin Kenntnis erlangt.

Danach ist die vorliegende Regelung, wonach ein vom Erstverwalter zu bestellender Sachverständiger die Abnahme des Gemeinschaftseigentums für die Erwerber durchführen soll, unwirksam. Es besteht die Gefahr, dass die Voraussetzungen der Abnahmefähigkeit nicht neutral durchgeführt und geprüft werden, sondern unter der Einflussnahme des Bauträgers erfolgt, der einen wirtschaftlich oder rechtlich mit ihm verbundenen Erstverwalter bestellen und diesem die Beauftragung eines bestimmten ebenfalls wirtschaftlich oder rechtlich mit ihm verbundenen Sachverständigen aufgeben kann.

Daran ändert auch die Regelung im Bauträgervertrag nichts, die vorsah, dass die Bestellung des Erstverwalters in der ersten Eigentümerversammlung erfolgen sollte und der Bauträger den jeweiligen Erwerber unwiderruflich bevollmächtigt hat, bis zur Eigentumsumschreibung alle Rechte eines Eigentümers wahrzunehmen, und insoweit auf die Wahrnehmung eigener Rechte als Noch-Eigentümer verzichtet hat.

Weiter ist es unerheblich, dass im zu entscheidenden Fall der bestellte Erstverwalter nicht vom Bauträger, sondern tatsächlich im Wege des Mehrheitsbeschlusses der Eigentümer bestellt wurde, der den Sachverständigen mit der Prüfung der Abnahmefähigkeit beauftragte.

Maßgebend ist allein, dass die Regelung zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums – wenn auch nur mittelbar – Einfluss des Bauträgers auf die Bestimmung der Person ermöglicht, die das Gemeinschaftseigentum für die einzelnen Erwerber abnehmen soll. Die Regelung zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums schließt diese Möglichkeit nicht aus. Ein Eigentümerbeschluss gemäß § 23 Abs. 1 WEG kann gefasst werden, sobald eine aus mindestens zwei Wohnungseigentümern bestehende Gemeinschaft – auch als sogenannte „werdende Wohnungseigentümergemeinschaft“ – vorliegt (OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.06.1985- Az. 20 W 145/85). Dies hat zur Folge, dass nach der Veräußerung nur einer Eigentumswohnung durch den Bauträger die Einberufung der ersten Eigentümerversammlung zur Bestellung eines Erstverwalters möglich ist. In einer solchen Eigentümerversammlung hätte der Bauträger zwangsläufig die Stimmenmehrheit, da er für sieben von acht Eigentumseinheiten stimmberechtigt wäre. Der Bauträger könnte einen mit ihm rechtlich oder wirtschaftlich mit ihm zusammenhängenden Erstverwalter bestellen und Sachverständigen beauftragen, ohne dass es auf die Stimme des verbleibenden Erwerber/Eigentümer ankommt.

Eine geltungserhaltende Reduktion der unwirksamen Regelung  dahingehend, dass die Abnahme des Gemeinschaftseigentums nur von einem Sachverständigen durchgeführt werden darf, der von einem Verwalter beauftragt wird, welche durch eine ohne Stimmenmehrheit des Bauträgers zustande gekommenen Eigentümerbeschluss bestellt wurde, ist unzulässig. Im Übrigen wäre auch eine derartig eingeschränkte Abnahmeregelung unzulässig. Es bestünde immer noch die Möglichkeit, dass auf der Grundlage eines Mehrheitsbeschlusses gegen den Willen einzelner Erwerber eine bestimmte Person darüber entscheidet, ob die Werkleistung des Bauträgers ordnungsgemäß erbracht wurde. Damit würde dem einzelnen Erwerber sein Recht genommen, selbst darüber zu entscheiden bzw. eine Person seines Vertrauens darüber entscheiden zu lassen.

III. Bewertung und Fazit

Das Oberlandesgericht Karlsruhe folgt mit seiner Entscheidung den strengen Anforderungen, die an Regelungen in Bauträgerverträgen gestellt werden, die eine einheitliche Abnahme des Gemeinschaftseigentums vorsehen (vgl. OLG München, Urteil vom 24.04.2018, Az. 28 U 3042/17 zur Abnahme des Gemeinschafseigentums durch einen vom Bauträger bestellten Erstverwalter; BGH, Urteil vom 30.06.2016, Az. VII ZR 188/13 zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch einen vom Bauträger selbst bestellten Erstverwalter). Obwohl diese Rechtsprechung nun schon einige Jahre alt ist, werden uns immer wieder Verträge zur Prüfung vorgelegt, die solche unwirksame Abnahmeregelungen enthalten.

Die Frage, welche Regelungen in Bauträgerverträgen zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums den Abnahmeprozess beschleunigen und gleichzeitig wirksam vereinbart werden können, ist nach wie vor spannend.

Festzuhalten bleibt, dass Regelungen, die irgendeine Einflussnahme durch den Bauträger – wenn auch nur mittelbar – ermöglichen, unwirksam sind. Dies gilt unabhängig davon, ob die Bauträger tatsächlich Einfluss auf die Abnahme des Gemeinschaftseigentums genommen hat. Sobald eine Regelung einen Einfluss des Bauträgers auf die Abnahme des Gemeinschaftseigentums ermöglicht, ist die daraufhin vorgenommen Abnahme unwirksam mit der Folge, dass die Gewährleistungsfrist nicht zu laufen beginnt.

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