Garantien – garantiert gefährlich!

Bei der Errichtung eines Bauvorhabens werden schnell vertraglich bestimmte Eigenschaften „zugesichert“, „garantiert“ oder „verbindlich zugesagt“. Dem Bauunternehmer ist häufig nicht bewusst, dass er damit eine gegenüber der gesetzlichen Gewährleistung weitergehende Vereinbarung trifft, die weitreichende Folgen haben kann.

 

I. Abgrenzung: Gewährleistung und Garantie

Gewährleistung und Garantie – diese Begriffe werden häufig fälschlicherweise synonym verwendet. Die beiden Rechtsbegriffe lösen selbständige, nebeneinander bestehende Anspruchsgrundlagen aus.

Die Mängelgewährleistung im Werkvertragsrecht ist gesetzlich in den §§ 633 ff. BGB sowie in § 13 VOB/B  geregelt. Der Auftraggeber kann verschiedene Gewährleistungsrechte (Nacherfüllungsverlangen, Rücktritt, Schadensersatz etc.) geltend machen, wenn das Werk zum Zeitpunkt der Abnahme Sach- und/oder Rechtsmängel aufweist. Entscheidendes Kriterium ist somit das Vorliegen eines derartigen Mangels. Dieser liegt vor, wenn das Werk in negativer Hinsicht von der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit abweicht.

Ansprüche aus einem Garantieversprechen bestehen selbstständig neben der gesetzlichen Gewährleistung und beziehen sich auf gesetzlich nicht geschuldete Leistungen. Bei der Garantie handelt es sich um eine freiwillig eingeräumte Einstandspflicht dafür, dass innerhalb eines bestimmten Zeitraumes (z.B. 24 Monate, 60 Monate etc) kein Mangel an dem Werk eintritt. Es kommt also nicht darauf an, ob der Mangel im Zeitpunkt der Abnahme vorliegt. Auch spätere Fehler sind zu beheben. Ein Garantieversprechen führt allerdings nicht dazu, dass die gesetzliche Gewährleistung ausgeschlossen, eingeschränkt oder ersetzt wird, vielmehr wird diese erweitert. Der Auftragnehmer übernimmt eine besondere Gewähr für bestimmte Eigenschaften des Werks.

Es ist zwischen unselbständigen und selbstständigen Garantien zu differenzieren. Eine unselbstständige Garantie liegt vor, wenn sich der Bauunternehmer verschuldensunabhängig verpflichtet, für einen bestimmten Erfolg im Rahmen eines Vertrages einzustehen. Die Verpflichtung des Bauunternehmers geht dahin, dass das Werk eine bestimmte Eigenschaft unbedingt hat oder uneingeschränkt frei von Fehlern ist. Es gelten die Vorschriften der §§ 633 ff. BGB.

Selbstständige Garantien beziehen sich auf den Eintritt eines bestimmten Erfolgs, der über die vertragsgemäße Herstellung des Werkes hinausgeht  (z.B. Vermietbarkeit eines zu verkaufenden Grundstücks mit Haus). Die oben genannten Vorschriften des Werkvertragsrechts finden keine Anwendung. Bei Nichteintritt des Erfolgs besteht eine verschuldensunabhängige Schadensersatzhaftung.

 

II. Urteil des OLG Frankfurt vom 15.07.2016 – 5 U 138/15

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat in seinem Urteil entschieden, dass der Bauunternehmer wegen Verletzung eines selbstständigen Garantieversprechens auch dann haftet, wenn das Nutzungsverhalten des Bauherrn (mit-)ursächlich für die Entstehung des Mangels ist.

Somit haftet der Bauunternehmer bei einem selbstständigen Garantieversprechen nicht nur unabhängig von seinem eigenen Verschulden, sondern auch unabhängig von dem Verschulden des Bauherrn.

Im zugrundeliegenden Fall erstellte die Beklagte für die Klägerin einen Bodenbelag. Gemäß der vertraglichen Regelung umfasste die schlüsselfertige Fertigstellung des Bauvorhabens

„alle Lieferungen  und Leistungen, die erforderlich sind, um es auf der Basis von Baubeschreibungen, Plänen und Baugenehmigungen komplett funktionsfähig, bezugsfertig und mängelfrei zu erstellen, so dass es zu dem vorgesehenen Zweck uneingeschränkt genutzt werden kann.

Nach Errichtung, Übergabe und Nutzungsbeginn stellte die Klägerin Vertiefungen/Absenkungen vor den Laderampen im Abstand der Abstellstützen der Wechselbrücken sowie Risse zwischen den Vertiefungen fest. Die Klägerin klagte auf Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Schäden zu ersetzen, die ihr im Zusammenhang mit den Schäden am Bauwerk in Form von Vertiefungen und Rissen entstehen. Die Beklagte wendete ein, dass die Vertiefungsschäden und die mit ihnen im Zusammenhang stehende Risse auf einem unsachgemäßen Nutzerverhalten der Klägerin beruhen. Die Beklagte führte aus, dass die Klägerin die Wechselbrücke bereits während der Rückwärtsfahrt absenkt, obwohl diese erst abgesenkt werden dürfe, wenn das Rangierfahrzeug vor dem Tor gestoppt hat. Dies führe dazu, dass auf den Bodenbelag ein größerer Druck ausgeübt werde, der die Vertiefungen und Rissbildungen zur Folge hat.

Das Landgericht Frankfurt hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wurde zurückgenommen.

Auf die genaue Ursache der Vertiefungen und der Rissbildung kommt es nicht an. Nach der vertraglichen Regelung war eine funktionsfähige Erstellung garantiert. Die Erstellung des Bodenbelags ist jedoch nicht funktionsfähig erfolgt, weil Absenkungen und Risse entstanden sind. Die Mangelsymptome deuteten auf einen funktionalen Mangel hin, nämlich dass der Boden den an ihn tatsächlich gestellten Belastungen nicht standhält. Die Beklagte hatte garantiemäßig dafür einzustehen, dass der Boden eine bezogen auf die Belastungen ausreichende Festigkeit aufweist. Im Hinblick auf die umfassende selbstständige Garantie musste daher nicht abschließend geklärt werden, ob und inwieweit für die festgestellten Mängel das von der Beklagten geschilderte Nutzungsverhalten (mit-)ursächlich ist.

Die Beklagte hatte bei der Erstellung des Bodenbelags nicht alle Beanspruchungen berücksichtigt, die infolge des Einsatzes von Wechselbrücken entstehen, obwohl sie im Hinblick auf die geschuldete Funktionsfähigkeit verpflichtet gewesen wäre.

 

III. Hinweise für die Praxis

Als Bauunternehmer sollte man bei der Formulierung der vertraglichen Regelungen die Gefahren einer Garantie im Blick behalten und bei der Wortwahl besondere Vorsicht walten lassen. Dem Wunsch des Bauherrn nach einer besonderen Zusicherung sollte nicht bedenkenlos nachgekommen werden. In derartigen Fällen sollte man den Bauherrn über seine gesetzliche Rechte aufklären und auf die Vereinbarung einer weitergehenden Regelung verzichten.

 

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Eine Antwort

  1. Hallo und vielen Dank für diesen informativen Beitrag über Garantien beim Bauen. Der Unterschied zwischen Gewährleistung und Garantie scheint wirklich nicht so klar zu sein für viele. Wenn es Probleme gibt, sollte man sich direkt an einen Anwalt für Baurecht wenden, oder erst versuchen, alles selber zu regulieren? Viele Grüße, Sophie

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