Kein Anspruch auf Entschädigung bei Bauzeitverzögerung?!

Bei der Errichtung oder Sanierung eines Bauvorhabens verzögert sich die Fertigstellung oft erheblich. In aller Regel werden Bauvorhaben dann auch erheblich teurer. In der Öffentlichkeit viel diskutierte Beispiele sind Projekte der öffentlichen Hand, wie die Elbphilharmonie oder Stuttgart 21. Aber auch abgesehen von solchen Großbauvorhaben kommen verzögerte Ausführungen bei Bauvorhaben sehr häufig vor. Verschuldet hat die Verzögerung häufig weder der Auftraggeber noch der Auftragnehmer, sondern z.B. vom Auftraggeber beauftragte Vorunternehmen, die ihre Leistung nicht rechtzeitig oder mangelhaft fertigstellen.

Den beauftragten Unternehmern entstehen dadurch Mehrkosten. Sie können Ihre Mitarbeiter nicht wie geplant einsetzten und keine neuen Aufträge annehmen, weil sie später als eigentlich geplant auf der Baustelle tätig werden müssen. Für den oft kurzfristig angekündigten Ausfall der Tätigkeit zum eigentlich vereinbarten Termin sind auf die Schnelle häufig keine adäquaten Ersatzaufträge zu erhalten. Bei erheblichen Verzögerungen kommt es zu Erhöhungen der Arbeitslöhne oder Einkaufspreise für Baustoffe. Diese Kosten möchte der Unternehmer in aller Regel nicht selbst zahlen, sondern vom Auftraggeber erstattet verlangen. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass ein solcher Anspruch der Unternehmen nur theoretisch besteht, praktisch die Anforderungen der Rechtsprechung aber so hoch sind, dass es keinem Unternehmen gelingt, den Anspruch nachzuweisen.

I. Problematik

Der Bundesgerichtshof hat die Anforderungen für Ansprüche wegen Bauzeitverzögerungen sehr hoch gelegt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Auftraggeber die Verzögerung zu nicht vertreten hat. Nicht zu vertreten hat er zum Beispiel die verspätete Fertigstellung von Vorgewerken, was den Regelfall der Verzögerung darstellt. Der Bundesgerichtshof verlangt eine „bauablaufbezogene Darstellung“ der Verzögerungen. Dies bedeutet, dass der Unternehmer exakt darlegen muss, an welchen Tagen er warum die eigentlich geplanten Arbeiten nicht ausführen konnte. Dabei muss der Unternehmer auch Verzögerungen miteinkalkulieren, die durch ihn selbst verursacht sind. Auch Unternehmen, die solche bauablaufbezogenen Darstellungen durch Sachverständige haben erstellen lassen, sind mit ihren Ansprüchen bisher immer gescheitert. Regelmäßig fehlt die Berücksichtigung der selbstverursachten Verzögerungen. Damit wird aber die gesamte bauablaufbezogene Darstellung falsch und der Vortrag aus Sicht des Bundesgerichtshofs unsubstantiiert (BGH, Urt. V. 28.01.2016 – VII ZR 162/13; BGH, Bsl. v. 15.06.2016 – VII ZR 101/15; OLG München, Urt. v. 27.04.2016 – 28 U 4738/16).

II. Urteil des Kammergerichts vom 10.01.2017 – 21 U 14/16

Etwas Hoffnung machte den Bauunternehmen das Kammergericht mit seinem Urteil vom 10.01.2017 – 21 U 14/16.  Das Kammergericht hat in seinem Urteil entschieden, dass dem Unternehmer eine Entschädigung nach § 642 BGB für nicht vom Auftraggeber zu vertretende Verspätungen zusteht, wenn ihm durch den Annahmeverzug des Bestellers ein Vermögensnachteil entstanden ist. Wenn der Unternehmer dies dargelegt hat, ist eine darüber hinausgehende „Bauablaufbezogene Darstellung“ nicht erforderlich. Im zugrundeliegenden Fall war Klägerin ein Unternehmen für Brandschutzsysteme. Der öffentliche Auftraggeber plante den Umbau zweier Bestandsgebäude und die Neuerrichtung eines Gebäudes. Die spätere Klägerin unterbreitete ein Angebot, auf das sie Ende 2007 den Zuschlag erhielt. Der Plan sah vor, dass zunächst Neubau errichtet werden sollte und im zweiten Bauabschnitt die Umbauarbeiten durchgeführt werden sollten. Als verbindliche Vertragsfristen waren für den ersten Bauabschnitt Ende 2008 und für den zweiten Bauabschnitt Oktober 2010 als Fertigstellungstermine vereinbart. Die Bauarbeiten gingen dann wesentlich langsamer als ursprünglich vorgesehen. Grund war die Insolvenz eines Vorunternehmers. Anfang 2012 war lediglich 40% des ersten Bauabschnitts erbracht, mit dem zweiten Bauabschnitt war noch nicht begonnen. Nach Streitigkeiten über die weitere Fortführung des Vorhabens kündigte der Besteller den Vertrag. Die Klägerin macht nun Ansprüche wegen zusätzlicher Kosten für die Bauzeitverzögerung geltend.

Das Landgericht Berlin hat die Klage abgewiesen. Das Kammergericht Berlin hat das Urteil teilweise aufgehoben und der Klägerin zu einem sehr geringen Anteil (EUR 3.566,01) einen zusätzlichen Vergütungsanspruch für zwischen geplanter und tatsächlicher Ausführung gestiegene Lohn- und Materialkosten zugestanden.

Da die Bestellerin die Bauzeitverzögerung nicht zu vertreten hatte, kommen Ansprüche aus § 6 Abs. 6 VOB/B und § 2 Abs. 5 VOB/B nicht in Betracht. Es bleibt somit als Anspruchsgrundlage nur der Allgemeine Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB. Das Kammergericht war hier der Auffassung, dass der Unternehmer dem Besteller eine Frist setzen kann, den Baugrund und die notwendigen Vorarbeiten herzustellen. Erfolgt die Bereitstellung nicht innerhalb der Frist, kann der Unternehmer kündigen und Vergütung für seine erbrachten Leistungen nach § 645 Abs. 1 BGB verlangen.

III. Urteil des Bundesgerichtshof

Die Entscheidung des Kammergerichts hat der 7. Senat des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung vom 26.10.2017 – VII ZR 16/17 aufgehoben. Zu der vom Kammergericht vertretenen Ansicht, dass eine bauablaufbezogene Darstellung für einen Anspruch aus § 642 BGB nicht notwendig sei, äußert sich der BGH nur insoweit, als diese Frage vorliegend gar nicht entscheidungsreif sei. Der BGH beschränkt sich darauf, festzustellen, dass § 642 BGB nur Kosten für die Vorhaltung von Material und Personal während des eigentlichen Verzuges umfasst, nicht aber Kosten, die nach Ende des Verzuges entstehen, wenn die Maßnahme dann tatsächlich durchgeführt wird. Diese Frage war bisher umstritten. Der Großteil der Literatur vertrat eine andere Ansicht als der BGH nun. So auch der ehemalige vorsitzende Richter des 7. Senates, Herr Kniffka. Der BGH hat nunmehr entschieden, dass gestiegene Lohn- und Materialkosten nicht über § 642 BGB erstattungsfähig sind.

Damit dürften die Chancen für Bauunternehmen, Ansprüche wegen Bauzeitverzögerung durchzusetzen noch geringer geworden sein. § 642 BGB ist nämlich oftmals die einzige mögliche Anspruchsgrundlage, da die anderen Ansprüche nach §§ 6 Abs. 6 VOB/B, 280 Abs. 1, 286 BGB ein Verschulden des Auftraggebers voraussetzen und § 2 Abs. 5 VOB/B eine Anordnung des Auftraggebers. Beides liegt regelmäßig nicht vor, jedenfalls ist ein Verschulden des Auftraggebers in der Regel für den Auftragnehmer nicht nachweisbar. Ein Großteil der Verzögerungen beruht auf verspäteter Fertigstellung von Vorgewerken. Da er es aber zu vertreten hat, dass die Vorgewerke verspätete fertiggestellt wurden, weiß der Auftragnehmer oftmals nicht, jedenfalls kann er nicht beweisen, dass es auf einem Verschulden des Auftraggebers beruht.

IV. Auswirkungen für die Praxis

Das Urteil zeigt einmal mehr, dass es für Auftragnehmer zwingend erforderlich ist, eine vertragliche Regelung zu treffen, wie die Kosten im Fall der Bauzeitverzögerung zu verteilen sind. Gesetzliche Ansprüche kann der Auftragnehmer in aller Regel nicht durchsetzen. Für Auftraggeber besteht hier weiterhin eine relativ komfortable Lage. Sie müssen nur insoweit aufpassen, als Sie keine Anordnung nach § 2 Abs. 5 VOB/B treffen und sich damit Mehrkostenansprüchen aussetzen. Auftraggeber können sich relativ einfach darauf zurückziehen, vorzutragen, dass sie die Verzögerung nicht zu vertreten haben und dies auf verzögerten Leistungen von Vorgewerken beruht.

Die Rechtsprechung ist insgesamt äußerst unbefriedigend und der Gesetzgeber sollte hier zeitnah eingreifen. Es ist bedauerlich, dass im Rahmen der Neufassung des Baurechts zum 01.01.2018 keine Regelung über die Bauzeitverzögerung getroffen wurde.

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