Abnahmefiktion und Zustandsfeststellung nach dem neuen Bauvertragsrecht

Am 1. Januar 2018 tritt das neue Werkvertragsrecht in Kraft, mit dem erstmals eigenständige Regelungen für den Bauvertrag getroffen werden. Besonders bedeutsam sind die Änderungen der Rechtslage in Bezug auf die Verweigerung der Abnahme durch den Bauherrn.

Nach § 640 Abs. 2 BGB (n.F.) gibt es eine neue Abnahmefiktion. Die maßgebliche gesetzliche Regelung lautet:

„Als abgenommen gilt ein Werk auch, wenn der Unternehmer dem Besteller nach Fertigstellung des Werks eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt hat und der Besteller die Abnahme nicht innerhalb der Frist unter Angabe mindestens eines Mangels verweigert hat.“

Für den Bauvertrag wird diese Regelung ergänzt um die Zustandsfeststellung bei Verweigerung der Abnahme. § 650 g BGB (n.F.) lautet:

„(1) Verweigert der Besteller die Abnahme unter Angabe von Mängeln, hat er auf Verlangen des Unternehmers an einer gemeinsamen Feststellung des Zustandes des Werks mitzuwirken. Die gemeinsame Zustandsfeststellung soll mit der Angabe des Tages der Anfertigung versehen werden und ist von beiden Vertragsparteien zu unterzeichnen.

(2) Bleibt der Besteller einem vereinbarten oder einem von dem Unternehmer innerhalb einer angemessenen Frist bestimmten Termin zur Zustandsfeststellung fern, so kann der Unternehmer die Zustandsfeststellung auch einseitig vornehmen. Dies gilt nicht, wenn der Besteller infolge eines Umstandes fernbleibt, den er nicht zu vertreten hat und den er dem Unternehmer unverzüglich mitgeteilt hat. Der Unternehmer hat die einseitige Zustandsfeststellung mit der Angabe des Tages der Anfertigung zu versehen und sie zu unterschreiben sowie dem Besteller eine Abschrift der einseitigen Zustandsfeststellung zur Verfügung zu stellen.

(3) Ist das Werk dem Besteller verschafft worden und ist in der Zustandsfeststellung nach Abs. 2 oder Abs. 2 ein offenkundiger Mangel nicht angegeben, wird vermutet, dass dieser nach der Zustandsfeststellung entstanden und vom Besteller zu vertreten ist. Die Vermutung gilt nicht, wenn der Mangel nach seiner Art nicht vom Besteller verursacht worden sein kann.“

Im Zusammenspiel bieten diese Regelungen dem Werkunternehmer einige Möglichkeiten, sich gegen die unberechtigte Verweigerung der Abnahme zur Wehr zu setzen.

1. Abnahmeverlangen

Der Unternehmer kann vom Besteller die Abnahme verlangen und eine Frist zur Erklärung setzen. Der Unternehmer sollte darauf achten, dass der Zugang des Abnahmeverlangens beim Besteller nachweisbar ist. Ist der Besteller ein Verbraucher, muss mit Abnahmeverlangen auf die Fiktionsfolgen hingewiesen werden.

Mit dem Abnahmeverlangen setzt der Unternehmer den Besteller unter Zugzwang. Der Besteller muss reagieren. Reagiert der Besteller nicht, gilt das Werk mit Ablauf der gesetzten Frist als abgenommen. Der Besteller ist nach der neuen Rechtslage auch gezwungen, mindestens einen Mangel zu benennen. Der Besteller kann es also nicht dabei belassen, lediglich die Abnahme zu verweigern

2. Benennung eines wesentlichen Mangels

Der Besteller muss einen wesentlichen Mangel benennen. Es genügt nicht, dass Kleinstmängel gerügt werden. Das ist zwar im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt, ergibt sich aber daraus, dass der Besteller die Abnahme wegen unwesentlicher Mängel nicht verweigern darf.

Der Besteller muss nicht alle ihm bekannten Mängel nennen, sondern nur mindestens einen Mangel. Der Besteller geht aber ein Risiko ein, wenn er nur einen Mangel benennt, der tatsächlich nicht besteht. Wenn der Unternehmer nachweisen kann, dass der vom Besteller benannte Mangel oder alle vom Besteller benannten Mängel nicht bestehen, wird er sich auf die Abnahmefiktion berufen können. Der Besteller hat in diesem Fall nämlich keine (bestehenden) Mängel benannt.

Die Einzelheiten dazu, was der Besteller tun muss, um die Abnahmefiktion zu vermeiden, sind noch umstritten. Es wird vertreten, dass der Besteller nur irgendeine Mangelsymptomatik benennen muss, unabhängig davon, ob es sich dabei um einen wesentlichen Mangel handelt und der Mangel tatsächlich besteht und nachweisbar ist. Für diese Auffassung lassen sich aus der Gesetzgebungsgeschichte einige Argumente heranziehen. Im Wortlautet findet diese Auffassung aber keine Stütze.

3. Reaktionsmöglichkeiten des Unternehmers

Wenn der Besteller die Abnahme unter Angabe konkreter Mängel verweigert, hat der Unternehmer mehrere Reaktionsmöglichkeiten:

3.1 Beseitigung der benannten Mängel

Wenn die vom Besteller benannten Mängel tatsächlich bestehen, kann der Unternehmer die Mängel beseitigen und dann erneut unter Fristsetzung zur Abnahme auffordern. Die Abnahmefiktion tritt dann ein, wenn der Besteller nicht innerhalb der neuen Frist mindestens einen weiteren korrekten Mangel benennt.

3.2 Nachweis der Mangelfreiheit

Weil der Besteller mindestens einen Mangel konkret benennen muss, hat der Unternehmer die Möglichkeit, den Nachweis zu führen, dass die vom Besteller behaupteten Mängel nicht bestehen. Der Unternehmer kann, insbesondere durch ein Sachverständigengutachten in einem gerichtlichen selbständigen Beweisverfahren, den Nachweis führen, dass der vom Besteller behauptete Mangel nicht besteht.

Der Besteller wird dann zumindest argumentieren können, dass die Abnahmefiktion eingetreten ist, weil der Besteller gerade keinen (bestehenden) Mangel benannt hat, sondern nur eine (unzutreffende) Mangelbehauptung aufgestellt hat. Allerdings ist noch nicht geklärt, ob in dem Fall, dass sich die Mangelbehauptung des Bestellers wiederlegen lässt, die Abnahmefiktion eintritt. Es bleibt abzuwarten, wie die Gerichte diese Frage entscheiden. Bis dahin kann dem Besteller (Bauherrn) nur empfohlen werden, alle bekannten Mängel zu benennen, wenn er die Abnahme verweigert.

3.3 Zustandsfeststellung

Der Bauunternehmer kann außerdem die Feststellung des Zustandes des Bauwerkes verlangen, wenn der Besteller die Abnahme verweigert. Sofern kein Einvernehmen über einen Termin zur Zustandsfeststellung vereinbart wird, kann der Unternehmer einen Termin bestimmen und den Besteller einladen. Bleibt der Besteller dem Termin zur Zustandsfeststellung unentschuldigt fern, kann der Unternehmer die Zustandsfeststellung auch einseitig vornehmen. Das Verfahren der Zustandsfeststellung ist dem Unternehmer insbesondere dann zu empfehlen, wenn er dem Besteller dem Besitz am Bauwerk verschafft, der Besteller also in das Bauwerk einzieht oder es in Nutzung nimmt. In diesem Fall greift eine gesetzliche Vermutung, dass offensichtliche Mängel, die in der Zustandsfeststellung nicht angegeben sind, erst nach der Zustandsfeststellung entstanden und vom Besteller zu vertreten sind.

Der Gesetzgeber regelt hier den Gefahrübergang. Die Gefahr des zufälligen Untergangs oder der zufälligen Verschlechterung der Werkleistung trägt bis zur Abnahme der Unternehmer. Durch die Zustandsfeststellung wird der Gefahrübergang vorverlagert. Ab dem Zeitpunkt der Zustandsfeststellung geht die Gefahr einer Verschlechterung auf den Besteller über.

Die Zustandsfeststellung bedeutet praktisch eine Beweislastumkehr für die typischen Gebrauchsschäden. Diese Beweislastregel ist von großer Bedeutung. Bis zur Abnahme trägt der Unternehmer die Beweislast für die Mangelfreiheit des Werkes. Vor der Abnahme besteht also ein erhebliches Risiko für den Besteller, dass er auch nachträglich verursachte Schäden und Beschädigungen beseitigen muss, weil er nicht beweisen kann, dass diese Beschädigungen erst nachträglich erfolgt sind. Diese Problematik soll durch die gemeinsame Zustandsfeststellung gelöst werden.

4. Zusammenfassung und Empfehlungen

Mit dem Abnahmeverlangen und der gemeinsamen Zustandsfeststellung werden dem Bauunternehmer rechtliche Möglichkeiten an die Hand gegeben, die seine Situation bei einer Verweigerung der Abnahme durch den Besteller wesentlich verbessern. Der Unternehmer sollte also nach Schluss der Arbeiten immer die Abnahme verlangen und dafür eine Frist setzen. Bei Verweigerung der Abnahme sollte jedenfalls dann eine gemeinsame Zustandsfeststellung verlangt werden, wenn das Werk an den Besteller übergeben wird.

Der Besteller sollte darauf achten, dass Abnahmeverlangen und Aufforderung zur gemeinsamen Zustandsfeststellung nachweisbar sind. Das ist auch ohne großen Verwaltungsaufwand möglich, wenn der Besteller für diese Erklärungen vorformulierte Schreiben vorhält.

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