BIM BAM BOOM

Kein Neujahrsempfang, keine Sonntagsrede, ohne dass die Digitalisierung als großartige Chance und Herausforderung unserer Zeit erwähnt würde. Das betrifft alle Zweige der Wirtschaft – inzwischen sogar die Baubranche. Dort verbindet sich das Thema Digitalisierung vor allem mit dem Kürzel BIM – Building Information Modeling.

BIM ist ein digital unterstützter Prozess zum Planen, Bauen und Betreiben von Gebäuden. Glaubt man den Anbietern von BIM-Software und BIM- Dienstleistungen, werden fast alle Probleme, mit denen die Branche zu kämpfen hat, Planungsfehler, Qualitätsmängel, Verzug bei Terminen und mangelnde Koordination der Beteiligten, dadurch gelöst. Effizientere Prozesse, geringere Kosten, erheblich reduzierter Zeitaufwand und bessere Qualität sollen durch BIM möglich sein.

Tatsächlich ist das Steigerungspotenzial, das durch konsequente Digitalisierung in der Baubranche erzielt werden kann, sehr groß. Vor allem wird BIM Produktivität und Effizienz nicht nur bei der Planung und der Errichtung steigern, sondern auch bei der Gebäudenutzung und gegebenenfalls bei dessen Beseitigung. Durch BIM werden Gebäudedaten nämlich mit Informationen über Kosten, Terminen und technischen Daten verknüpft, so dass das digitale Gebäudemodell über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes genutzt werden kann.

Im Planungsprozess werden sehr frühzeitig alle Beteiligten eingebunden, die Planung erfolgt von Anfang an unter Berücksichtigung sämtlicher Schnittstellen und Konfliktpunkte in Echtzeit und quasi interaktiv – man arbeitet gemeinsam an einem Modell. Die internationale, nichtstaatliche non-profit-Organisation buildingSMART versucht, offene Standards für den Datenaustausch im BIM einzuführen. Diese Organisation hat hierfür ein Basisdatenmodell, die Industry Foundation Classes (IFC), für den Austausch der Bau-und Planungsdaten entwickelt. Dabei hinkt Deutschland im Vergleich zu seinen skandinavischen Nachbarländern und Großbritannien in der Umsetzung von BIM-Projekten deutlich hinterher.

Wie fast alle Neuerungen im technischen Bereich folgen die rechtlichen Fragen auf dem Fuß:

  • Wem stehen die Urheberrechte an diesem gemeinsamen Planung Ergebnis zu?
  • Wie schütze ich meine Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse? In einem BIM-Modell sind je nach Regelungstiefe erheblich mehr Informationen preiszugeben als bei der Zurverfügungstellung analoger Pläne.
  • Wer trägt die Verantwortung für Planungsfehler? Und wie haften die Beteiligten untereinander?
  • Sind Softwarefehler in der BIM-Software genauso zu behandeln wie Planungs- oder Ausführungsfehler?
  • Und nicht zuletzt: Welches Honorar erhält derjenige, der diesen BIM-Prozess koordiniert? Wenn der Architekt diese Aufgabe übernimmt, ist diese Leistung mit dem HOAI- Honorar abgegolten?

Wir wollen auf unserem Blog in loser Folge einigen dieser Fragen nachgehen.

Welche Auswirkungen hat BIM auf die HOAI-Honorierung?

Unter Juristen wird diskutiert, ob die HOAI ein BIM- basiertes Planen überhaupt abbilde. Die starre Struktur der HOAI mit ihren aufeinander aufbauenden Leistungsphasen passe nicht zu der agilen, im Idealbild zeitgleichen Arbeit verschiedener Projektbeteiligter an einer Planung. Außerdem führe BIM-basiertes Planen dazu, dass seinem sehr viel früheren Zeitpunkt im Projektablauf sehr viel mehr und deutlich detailliertere Leistungen erbracht werden müssten. Bildlich gesprochen verschiebe sich der „Peak“ der Leistung in ein deutlich früheres Planungsstadium. Manche Stimmen befürchten sogar, dass solche, in einem frühen Planungsstadium erbrachten Leistungen überhaupt nicht vergütet werden.

Dabei erwähnt die HOAI 2013 bereits BIM-Leistungen und qualifiziert sie als Besondere Leistungen im Sinne der HOAI: 3-D oder 4-D Gebäudemodellbearbeitung (BIM) ist danach eine Besondere Leistung der Leistungsphase 2 im Leistungsbild Gebäude und Innenräume. Der Verordnungsgeber ist also offensichtlich der Auffassung, dass die HOAI BIM-Planungsleistungen, die aufgrund der digitalen Planungsmethode über den herkömmlichen Planungsaufwand hinausgehen, erfassen kann.

Das erscheint zunächst deshalb problematisch, weil BIM- basiertes Planen nicht lediglich im Rahmen der Vorplanung (Leistungsphase 2) eine Rolle spielt, sondern im Idealfall bis zur Baurealisierung (BAM –Building Assembly Management – und darüber hinaus in der Gebäudeverwaltung (BOOM – Building Owner Operator Management) Anwendung findet. Das ist aber nur scheinbar ein Hindernis für die Anwendung der HOAI auf BIM-Planungsleistungen von Architekten: In § 3 Abs. 3 HOAI ist geregelt: „Die Besonderen Leistungen können auch für Leistungsbilder und Leistungsphasen, denen sie nicht zugeordnet sind, vereinbart werden, soweit sie dort keine Grundleistungen darstellen.“ BIM-Planungsleistungen können also selbst dann über die HOAI abgerechnet werden, wenn sie nicht der Leistungsphase 2 zuzuordnen sind. Wirklich überzeugend ist diese Konstruktion allerdings nicht: Der Schwerpunkt der BIM-basierten Planungsleistungen ist nicht der Vorplanung zuzuordnen, sondern bildet – wenn man BIM-basiertes Planen ernst nimmt – in jeder Leistungsphase den Planungsaufwand digital ab, der zuvor analog bestand. Er geht sogar je nach Regelungstiefe des Datenbestandes über die herkömmlichen Phasen einer Architektentätigkeit hinaus. Die Verweisung zeigt allerdings, dass der Verordnungsgeber an einer Einheitlichkeit der Architekten-Honorierung gelegen ist und deshalb die BIM-Planungsleistungen von der HOAI erfasst sein sollen.

Das praktisch und auch rechtlich größere Problem liegt darin, dass die HOAI reines Preisrecht ist (wenn auch viele am Bau Beteiligten die HOAI zur Bestimmung des Leistungsumfangs heranziehen – mit allen aus der Rechtsprechung hierzu bekannten Problemen). Die HOAI ist deshalb keine Hilfe zur Beantwortung der Frage, welche Leistungen ein Architekt bei einer BIM-basierten Planung erbringen muss. Mehr noch: BIM-basiertes Planen erfordert die Tätigkeit eines BIM-Koordinators. Dessen Tätigkeit ist das digitale Pendant zu Projektsteuerungsaufgaben in der Planungsphase. Diese Aufgaben bildet die HOAI nicht ab. § 8 Abs. 3 sieht lediglich vor, dass eine gesonderte Vergütung für zusätzlichen Koordinierungsaufwand schriftlich zu vereinbaren ist. Demgegenüber sieht die HOAI Honorar vor für Tätigkeiten, deren Aufwand durch die Digitalisierung praktisch marginalisiert werden, wie zu Beispiel die Zusammenstellung der Kosten, eine Aufgabe, die praktisch von der Software geleistet wird. Hier wird man an eine in Ausnahmefällen zulässige Unterschreitung der Mindesthonorare denken müssen (so schon Eschenbruch / Grüner NZBau 2014 S. 402 (404)).

Fazit:

  1. Soweit es sich bei Leistungen im Zusammenhang mit BIM um Architektenleistungen handelt, muss die Abrechnung dieser Leistungen über die HOAI erfolgen, denn sie ist zwingendes Preisrecht.
  2. BIM-basiertes Planen kann auch über die HOAI abgerechnet werden, weil die HOAI entsprechende Öffnungsklauseln enthält. Richtig passend erscheinen die HOAI-Regelungen aber nicht.
  3. Die Honorierung von BIM-Planungsleistungen, die den Aufwand analoger Planung übersteigt, ist als Besondere Leistung explizit zu vereinbaren. Schriftform ist nicht erforderlich (Wirth/Galda in Korbion/Mantscheff/Vygen HOAI 2016 § 3 Rn 14), zu Beweiszwecken aber dringend zu empfehlen.
  4. Die BIM-Koordination ist dagegen nicht erfasst von der HOAI. Deren Honorierung unterliegt allerdings nicht der HOAI.
  5. Es ist dringend zu empfehlen, auf die von der HOAI erfassten Planungsleistungen im Vertrag exakt zu definieren, denn der Verweis auf die HOAI (schon bisher eine unsaubere „Krücke“) versagt hier vollständig.

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