Schriftform für Nachtragsbeauftragungen?

Jeder Jurist weiß: Verträge kann man schriftlich, mündlich, aber auch einfach durch schlüssiges Verhalten schließen. Der Kauf an der Supermarktkasse vollzieht sich häufig, ohne dass überhaupt ein Wort gesprochen wird – das ist dann nicht besonders höflich, aber juristisch wirksam. Erreichen Verträge eine bestimmte wirtschaftliche Bedeutung, wird man sie sinnvollerweise schriftlich fassen. Das gilt für Bauaufträge allemal und für öffentliche Auftraggeber im Besonderen. Vertragsparteien können deshalb vereinbaren, dass sie einen Vertrag nur schriftlich schließen wollen und dass auch Änderungen und Ergänzungen des Vertrages nur gültig sein sollen, wenn sie schriftlich gefasst sind. Diesem Schriftformerfordernis kommt in der Praxis aber oft nur geringe Bedeutung zu, weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die Vereinbarung, Vertragsergänzungen nur schriftlich machen zu wollen, mündlich oder durch schlüssiges Verhalten wieder aufgehoben werden kann. Wenn im Streitfall das Gericht also zu der Auffassung gelangt, dass die tatsächlichen Umstände eher dafür sprechen, dass die Vertragsparteien den Vertrag ändern wollten und dies lediglich nicht schriftlich gefasst haben, wird es für seine Entscheidung in der Regel davon ausgehen, dass das Schriftformerfordernis stillschweigend abbedungen wurde.

Für Verträge mit der öffentlichen Hand, zum Beispiel mit den Kommunen, sehen die jeweiligen Landesgesetze allerdings eine strenge Schriftform vor. So bestimmt zum Beispiel § 54 der GemO Baden-Württemberg:

Erklärungen, durch welche die Gemeinde verpflichtet werden soll, bedürfen der Schriftform oder müssen in elektronischer Form mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur versehen sein. Sie sind vom Bürgermeister zu unterzeichnen. Im Fall der Vertretung des Bürgermeisters, müssen Erklärungen durch dessen Stellvertreter, den vertretungsberechtigten Beigeordneten oder durch zwei vertretungsberechtigte Gemeindebedienstete unterzeichnet werden. […]“.

Gleichlautende Vorschriften enthalten die Gesetze der anderen Bundesländer.

Wir haben es hier also nicht mit einem vertraglich vereinbarten Schriftformerfordernis zu tun, auf das man nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes stillschweigend verzichten kann, sondern mit einer gesetzlichen Bestimmung. Auf gesetzliche Formvorschriften kann man nicht ohne Weiteres verzichten.

Die Regelung in § 54 GemO Baden-Württemberg (und den entsprechenden Gesetzen der anderen Länder) hat allerdings einen Haken: Das Zivilrecht ist Bundesangelegenheit. Wie zivilrechtlich Verträge zu schließen sind und welche Formen dabei zu beachten sind (zum Beispiel notarielle Beurkundung für Grundstücksverträge,  § 311b Abs. 1  BGB) hat der Bund zu regeln, Artikel 70 Abs. 1, Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Entgegenstehende Vorschriften der Bundesländer sind deshalb schlicht unwirksam. Das gilt auch für § 54 GemO Baden-Württemberg, soweit damit für öffentliche Aufträge Schriftform verlangt wird. Das gilt für den ursprünglichen Vertrag ebenso wie für Nachträge. Die Vorschrift also nur insofern Bedeutung, als damit eine Vertretungsregelung etabliert  – wer innerhalb einer Kommune (oder eines Landkreises) zur Vertretung berechtigt ist, kann der Landesgesetzgeber selbstverständlich regeln, denn dies ist keine Frage des Zivilrechts (vgl. BGH 10.05.2001 – III ZR 111/99: „Auch wenn die Gemeindeordnung in diesem Zusammenhang von Formvorschriften spricht, geht es nach der ständigen Rechtsprechung des BGH insoweit nicht um Bestimmungen, deren Nichteinhaltung zur Nichtigkeit nach § 125 BGB führt. Denn mit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches sind entsprechende privatrechtliche Vorschriften der Landesgesetze außer Kraft getreten (Artikel 55 EGBGB), und zur Einführung solcher Vorschriften fehlt dem Landesgesetzgeber die Kompetenz (Artikel 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 1 GG). Vielmehr handelt es sich um materielle Vorschriften über die Beschränkung der Vertretungsmacht, die dem Schutz der öffentlich-rechtlichen Körperschaften und ihrer Mitglieder dienen (vgl. BGHZ 32, 375, 380 f).  

Praxistipp:

Auftragnehmer sollten bei Bauaufträgen der öffentlichen Hand sinnvollerweise darauf bestehen, dass ihnen die Nachtragsbeauftragung schriftlich und durch die in der Gemeinde/im Landkreis zuständige Stelle erteilt wird. Ohne wirksame Beauftragung ist man zur Ausführung der Arbeiten auch nicht verpflichtet. Ist die Beauftragung allerdings mündlich erfolgt – und dies geschieht üblicherweise nicht durch den Bürgermeister oder Landrat, sondern durch einen Bauamtsleiter oder eine Person in ähnlicher Funktion – ist im Falle einer späteren Auseinandersetzung darüber noch nicht alles verloren. Insbesondere kann sich die öffentliche Hand nicht einfach darauf zurückziehen, dass das Gesetz Schriftform vorschreibt, denn diese Regelung ist unwirksam. Man wird dann sehr genau zu prüfen haben, wer für die öffentliche Hand gehandelt hat und ob diese Person dazu berechtigt war.  Eine entsprechende Berechtigung sollte man sich sinnvollerweise gleich zu Beginn des Bauvorhabens nachweisen oder schriftlich bestätigen lassen.

 

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Eine Antwort

  1. Madge sagt:

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