Bindung des Architekten an seine Schlussrechnung

Die Vergütung der Architekten ist aus verschiedenen Gesichtspunkten immer wieder Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten. Auch deswegen sieht die Novellierung des Bauvertragsrechts erstmals konkrete Regelungen zum Architektenvertrag vor.

Für die Abrechnung des Architektenhonorars gilt allerdings weiterhin die Honorarordnung der Architekten und Ingenieure (HOAI). Der Architekt hat Anspruch auf ein gesetzliches Mindesthonorar. Verträge mit der Vereinbarung eines Pauschalhonorars, die dieses Honorar unterschreiten, sind nichtig. Nur in Ausnahmefällen entfällt der Anspruch des Architekten auf das gesetzliche Mindesthonorar.

I. Anspruch auf Mindesthonorar

Grundsätzlich hat der Architekt Anspruch auf ein Honorar, das den Mindestsätzen der HOAI entspricht. Vereinbaren die Parteien ein Pauschalhonorar, das diese Mindestsätze unterschreitet, hat der Architekt einen gesetzlichen Anspruch auf das Mindesthonorar bzw. auf den Differenzbetrag. Diese Forderungen kann er auch grundsätzlich nach einer erteilten Schlussrechnung geltend machen. In der Schlussrechnung liegt kein Verzicht auf weitergehende Forderungen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 2008, Az. VII ZR 105/07). Allerdings kann der Architekt gemäß § 242 BGB gehindert sein, eine Nachforderung zu stellen.

II. Urteil des BGH vom 19.11.2015

Der BGH hat nunmehr entschieden, dass der Architekt nur gemäß § 242 BGB an eine Schlussrechnung gebunden ist, wenn der Auftraggeber auf eine abschließende Berechnung des Honorars vertrauen durfte und er sich im berechtigten Vertrauen auf die Endgültigkeit der Schlussrechnung in schutzwürdiger Weise so eingerichtet hat, dass ihm eine Nachforderung nicht mehr zugemutet werden kann.

Die Parteien hatten ein Pauschalhonorar für die Phase 1. bis 9. in Höhe von EUR 60.000,00 zuzüglich Mehrwertsteuer vereinbart. Am 30. Dezember 2006 stellte der Kläger dem Beklagten die letzte „Abschlags-Pauschale“ in Höhe von EUR 15.000,00, die der Beklagte auch bezahlte. Der Beklagte erhielt dafür etwa ein Jahr später eine Quittung, die betitelt war mit „Restbetrag von der Abschlussrechnung für Architekt-Honorar“.

Dennoch übersandte der Kläger dem Beklagten mit Schreiben vom 16. März 2008 eine „Teilschlussrechnung“ über EUR 58.871,30, wobei er einen „Nachlass gemäß Pauschalierung 12 %“ und die vom Beklagten bereits geleisteten Zahlungen in Höhe von 60.000 Euro zuzüglich Umsatzsteuer berücksichtigte. Diese zusätzliche Rechnung stellte der Kläger, da das Pauschalhonorar angeblich nicht den nach der HOAI geschuldeten Mindestsätzen entspräche. Als der Beklagte die Zahlung verweigerte, erhob der Kläger schließlich Klage.

Erstinstanzlich hatte das Landgericht den Beklagten zu einer Teilzahlung in Höhe von EUR 34.317,03 verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die von beiden Parteien eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen, da der Kläger an seine Rechnung vom 30. Dezember 2006 gebunden sei.

Der BGH hat dieses Urteil aufgehoben und die Bindung des Klägers an seine Rechnung vom 30. Dezember 2006 abgelehnt.

Die Bindung des Architekten ergibt sich nicht allein daraus, dass er eine Schlussrechnung gestellt hat. Erforderlich ist vielmehr, dass der Auftraggeber auf eine abschließende Berechnung des Honorars vertrauen durfte und er sich im berechtigten Vertrauen auf die Endgültigkeit der Schlussrechnung in schutzwürdiger Weise so eingerichtet habe, dass ihm eine Nachforderung nicht mehr zugemutet werden könne.

Das Berufungsgericht hatte dieses berechtigte Vertrauen bejaht, da der Architekt ein Jahr nach der Schlussrechnung eine Abschluss-Quittung erteilt hat, wodurch sich der Beklagte auf den abschließenden Charakter seiner Zahlung eingerichtet habe.

Der BGH hat das berechtigte Vertrauen dagegen abgelehnt. Der bloße Zeitablauf genügt nicht, um ein berechtigtes Vertrauen, dass einer Nachforderung entgegensteht, zu begründen. Der Auftraggeber muss sich vielmehr durch vorgenommene und unterlassene Maßnahmen darauf eingerichtet haben, dass weitere Forderungen nicht erhoben werden. Die Zahlung der Schlussrechnung stellt keine solche Maßnahme dar. Auch ein längerer Zeitraum zwischen Zahlung und Geltendmachung der weiteren Forderungen begründet kein berechtigtes Vertrauen, dass keine Nachforderungen mehr erfolgen werden. Es müssen weitere Umstände hinzukommen, die das berechtigte Vertrauen begründen. Solche Umstände hatte der Beklagte nicht vorgetragen.

Der Anspruch des Klägers war auch nicht ausgeschlossen, weil die Nachforderung aufgrund des Zeitablaufs für den Beklagten unzumutbar war. Eine Nachforderung ist unzumutbar, wenn die zusätzlich entstehende Belastung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls für den Auftraggeber unzumutbar ist, weil sie eine besondere Härte für ihn bedeutet. Auch hierfür gab es keine Anhaltspunkte.

III. Folgen für die Praxis

Der BGH hat mit seinem Urteil vom 19.11.2015 erneut festgelegt, dass dem Architekten eine Honorarforderung nach den Mindestsätzen nach der HOAI zusteht und diese (Nach-) Forderung auch nicht entfällt, wenn der Architekt die Forderung erst nach längerer Zeit, nachdem er bereits eine Schlussrechnung gestellt hat, geltend macht.

Ungeklärt bleibt weiterhin, welche Umstände hinzutreten müssen, um einer Nachforderung entgegenzustehen.

Allerdings verdeutlicht das Urteil, dass der Architekt nur unter sehr strengen Voraussetzungen verhindert ist, eine Nachforderung zu stellen.

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Eine Antwort

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