Widerrufsrecht bei Bauverträgen

Seit dem 14.06.2014 gelten neue gesetzliche Regelungen zum Widerrufsrecht. Die Neuregelungen brachten erhebliche Änderungen mit sich und führten zu einer Verschärfung der gesetzlichen Regelungen. Die gesetzlichen Regelungen haben als Ziel den Verbraucherschutz zu stärken. Als Folge sollten Bauunternehmen dem Thema Widerrufsrecht weit mehr Beachtung schenken als dies bisher der Fall war. Bei Verträgen mit Verbrauchern besteht nun das Risiko, dass der Verbraucher den bereits abgeschlossenen Vertrag widerrufen kann, auch wenn die Leistung schon vollständig erbracht ist.

I. Gesetzliche Regelungen

Die neue gesetzliche Regelung sieht in § 312, 312 b BGB vor, dass außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossene Verträge in aller Regel widerrufen werden können. Außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossene Verträge sind solche, die Verbraucher und Unternehmer bei gleichzeitiger Anwesenheit an einem anderen Ort schließen, z.B. auf einer Messe oder zu Hause beim Verbraucher. Außerdem werden Verträge erfasst, bei denen der Verbraucher bei einer solchen Gelegenheit ein Angebot abgibt. Daran ändert sich, anders als bei der bisherigen gesetzlichen Regelung, auch nichts, wenn der Kunde um den Vororttermin gebeten hat und vorher beim Unternehmer angerufen hat. Ein Widerrufsrecht besteht also für den regelmäßigen Fall, dass ein Handwerker auf Wunsch des potentiellen Kunden zu diesen nach Hause fährt, sich die dortige Situation anschaut und Aufmaß nimmt und dann sofort ein mündliches Angebot abgibt, welches der Verbraucher annimmt.

Es gibt aber auch Ausnahmen vom allgemeinen Widerrufsrecht. Eine zentrale Ausnahme ist direkt in § 312 BGB geregelt. Danach besteht kein Widerrufsrecht bei Verträgen über den Bau von neuen Gebäuden oder erhebliche Umbaumaßnahmen an bestehenden Gebäuden. Allerdings ist der Begriff der erheblichen Umbaumaßnahmen sehr eng auszulegen. Die Maßnahmen müssen einem Neubau vergleichbar sein. Nicht ausreichend ist z.B. der Einbau neuer Fenster oder Türen oder die Installation einer neuen Heizungsanlage.

Weitere Fälle, in denen ein Widerrufsrecht nicht besteht, finden sich in § 312g Abs. 2 BGB. Auch diese Ausnahmen sind aber sehr eng auszulegen. Die Lieferung von vorgefertigten Waren nach Kundenspezifikationen setzt zunächst einen Kaufvertrag oder Werklieferungsvertrag voraus. Die Vorschrift gilt nach überwiegender Auffassung nicht für Werkverträge. Außerdem muss die Ware nach individueller Auswahl oder Bestimmung hergestellt und eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten sein. Als Beispiel nennt die Gesetzesbegründung nach Maß gefertigte Vorhänge. Dies wird aber auch für nach Maß gefertigte Möbel gelten.

Verträge über dringende Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten liegen nur dann vor, wenn die Arbeiten zur sofortigen Wiederherstellung der Funktionstauglichkeit erforderlich sind und der Verbraucher darauf angewiesen ist. Dies gilt z.B. bei Notfallmaßnahmen im Sanitärbereich, z.B. bei einem Wasserrohrbruch. Allerdings sind vom Widerrufsrecht nur die jenigen Arbeiten ausgenommen, die zur Reparatur erforderlich sind. Werden darüber hinausgehend auch andere Arbeiten erbracht besteht für diese ein Widerrufsrecht.

Die Widerrufsfrist beträgt zwei Wochen. Die Zweiwochenfrist beginnt aber nur zu laufen, wenn der Kunde ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht informiert wurde. Dazu gehört auch die Information, dass der Kunde sein Widerrufsrecht verliert und möglicherweise Wertersatz leisten muss, wenn der Unternehmer vor Ablauf der Widerrufsfrist mit den Arbeiten beginnt, bzw. diese sogar fertigstellt. Wird die Widerrufsbelehrung – aus was für Gründen auch immer – vergessen, beginnt die Zweiwochenfrist nicht. Dann besteht das Widerrufsrecht für ein Jahr und 14 Tage fort. Erst dann erlischt es. Der Kunde kann also auch widerrufen, wenn die Arbeiten bereits vollständig ausgeführt sind und er mit diesen nicht zufrieden ist.

II. Urteil des Amtsgerichts Bad Segeberg

Mittlerweile gibt es erste Urteile zum neuen Widerrufsrecht. Beispielhaft ist das Urteil des Amtsgerichts Bad Segeberg vom 13.04.2015 – AZ: 17 C 230/14. In dem zugrunde liegenden Fall hatte ein Ehepaar auf einer Messe einen Treppenbauer, die spätere Beklagte, wegen der Renovierung der Treppe in ihrem Wohnhaus angesprochen. Im Anschluss suchte ein Mitarbeiter des Treppenbauers die Kläger in ihrem Haus auf. Danach erstellte der Mitarbeiter ein Angebot für die Durchführung einer Treppenrenovierung. Den Klägern war dieser Betrag zu hoch. Der Mitarbeiter des Treppenbauers reduzierte daraufhin den Preis, sofern die Kläger eine Anzahlung in Höhe von 150,00 € leisten. Die Kläger stimmten dem zu und leisteten die Anzahlung. Die Treppenrenovierung sollte einige Monate später durchgeführt werden. Für die Renovierung der Treppe sollten dabei individuell nach Maß hergestellte, nicht vorgefertigte Teile verwendet werden.

Einige Tage nach Abschluss des Vertrages erklärten die Kläger den Widerruf des Vertrages. In der Folgezeit ließen sie sich von einem Rechtsanwalt beraten.

Mit der Klage wollen die Kläger Ersatz der Rechtsanwalts und Portokosten. Der Treppenbauer macht dagegen Ansprüche auf Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen geltend.

Das Amtsgericht verurteilt den Treppenbauer zur Zahlung. Nach den Ausführungen des Gerichts haben die Kläger die auf Abschluss des Werkvertrages gerichtete Willenserklärungen wirksam widerrufen. Den Klägern stand ein Widerrufsrecht zu. Dieses ist auch nicht wegen § 312 Abs. 1 Nr. 3 BGB ausgeschlossen. Es liegen keine erheblichen Umbaumaßnahmen vor. Erheblich sind nämlich nur solche Maßnahmen, die dem Bau eines neuen Hauses vergleichbar sind. Hierzu gehört die Renovierung einer Innentreppe nicht.

Da der Vertrag unstreitig in der Wohnung in der Wohnung der Kläger zustande gekommen ist, handelt es sich um einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Werkvertrag. Damit war eine Widerrufsbelehrung des Treppenbauers erforderlich.

Die Widerrufsbelehrung war auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Bei der vereinbarten Leistung handelt sich nicht um dringende Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten. Auch handelt es sich nicht um einen Vertrag über die Lieferung und den Einbau von Waren, die speziell für die Bedürfnisse der Besteller hergestellt wurden. Dies folgt schon daraus, dass ein Werkvertrag vorliegt. Für Werkverträge greift diese Ausnahme nicht.

Das Gericht weist ausdrücklich darauf hin, dass es für das Widerrufsrecht unerheblich ist, die Kläger ausdrücklich um einen Termin in ihrer Wohnung gebeten haben. Das Widerrufsrecht der Kläger war auch nicht erloschen. Die Arbeiten waren noch nicht ausgeführt und es war vom Treppenbauer auch kein Hinweis erteilt worden, dass das Widerrufsrecht erlischt.

Da der Treppenbauer die Kläger nicht über das Bestehen des Widerrufsrechts aufgeklärt hat, hat er außerdem eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt. Er macht sich deshalb schadensersatzpflichtig und muss den Eheleuten die Kosten für die Rechtsberatung ersetzen.

III. Folgen

Die Folgen einer fehlerhaften oder unterlassenen Widerrufsbelehrung sind gravierend. Wurde mit den Arbeiten noch nicht begonnen, ist der Auftrag weg und der Unternehmer bleibt unter Umständen auf gestelltes Material sitzen. Noch gravierender ist die Situation aber, wenn der Unternehmer mit den Leistungen bereits begonnen oder diese sogar schon fertig gestellt hat. Nach § 357 Abs. 8 BGB ist der Unternehmer in diesen Fall zur Rückzahlung bereits erhaltener Vergütung verpflichtet. Im Gegenzug kann er vom Verbraucher keinen Wertersatz verlangen. Eine Pflicht zum Wertersatz besteht nur, wenn der Unternehmer den Verbraucher vor Beginn der Arbeiten darauf hingewiesen hat, dass bei späterem Widerruf Wertersatz zu leisten ist. Für den Unternehmer besteht also das Risiko, dass er – mangelfrei – Arbeiten erbracht hat und im Anschluss keine Vergütung erhält. Der Verbraucher darf die Leistung dann – quasi kostenlos – behalten. Auch wenn Verbraucher diese Möglichkeit nicht sofort nutzen besteht das Risiko, dass der Widerruf erklärt wird, wenn nach Abschluss der Arbeiten Mängel entdeckt werden oder es zu Streitigkeiten über die Höhe der Vergütung kommt. Erst nach Ablauf von einem Jahr und 14 Tagen erlischt das Widerrufsrecht.

Aus diesem Grund ist es zentral ordnungsgemäße Widerrufsbelehrungen zu erteilen und auch die eigenen Außendienstmitarbeiter entsprechend zu schulen. Jedes Unternehmen sollte über entsprechende Muster Widerrufsbelehrungen verfügen. Dies genügt allerdings noch nicht. Im Einzelfall muss der Mitarbeiter vor Ort beurteilen, ob z.B. dringende Reparaturarbeiten vorliegen oder es sich um die Lieferung speziell hergestellter Teile handelt. Dieses Beurteilungsrisiko erlegt der Gesetzgeber dem Unternehmen auf. Ist die Beurteilung falsch, fehlt möglicherweise die Widerrufsbelehrung. Mit den Oben beschriebenen Konsequenzen. Es kann Unternehmen deshalb nur geraten werden lieber einmal zu viel über ein Widerrufsrecht zu belehren, als einmal zu wenig.

Gewarnt werden muss auch vor Versuchen des Widerrufsrechts zu umgehen, in dem z.B. ein bereits abgeschlossener Vertrag später schriftlich festgehalten wird. Auch Regelungen in AGB sind häufig unwirksam. Ziel der Verbraucherschutzvorschriften ist den Verbraucher vor Überrumpelung zu schützen. Als möglicher Weg für den Unternehmer bleibt deshalb nach Aufnahme des Aufmaßes ein schriftliches Angebot erst in seinen Geschäftsräumen zu erstellen und dieses dem Verbraucher zu überlassen. Dieser kann dann später die Annahme erklären. Hier besteht zwar das Risiko der Abgrenzung zum Fernabsatzvertrag. Wurden die wesentlichen tatsächlichen Punkte aber beim Vororttermin besprochen, liegt nach überwiegender Auffassung kein Fernabsatzvertrag vor.

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