Präklusion bei ergänzendem Beschluss eines Bebauungsplan

Der VGH Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 21.04.2015, Az. 3 S 2094/13 über die Einwendungen von Anwohnern gegen einen Bebauungsplan mit Festsetzung eines Sondergebiets „Biogasanlage“ der Stadt Weikersheim entschieden. Der VGH hat den Normkontrollantrag als unbegründet zurückgewiesen und bestimmte Einwendungen inhaltlich nicht geprüft, da die Anwohner damit präkludiert waren.

I. Hintergrund

Der Erlass eines Bebauungsplans ist ein komplexer Prozess, der sich oft über Monate bis Jahre hinzieht. Der Entwurf des Bebauungsplans muss unter Berücksichtigung aller wesentlichen Belange erstellt werden. Danach wird er im Gemeinderat behandelt und im Anschluss für einen Monat öffentlich ausgelegt. In dieser Zeit können Anwohner, aber auch benachbarte Gemeinden, Umweltverbände oder sonstige betroffenen Organisationen, Einwendungen geltend machen, also ihre Kritik mitteilen. Im Anschluss wird der Bebauungsplan überarbeitet und irgendwann vom Gemeinderat beschlossen. Unter Umständen muss der Bebauungsplan dann noch von der übergeordneten Behörde, regelmäßig dem Landratsamt, genehmigt werden.

Der Prozess ist fehleranfällig. Es können bestimmte Belange vergessen werden, die Auslegungszeit kann zu kurz sein oder es nehmen befangene Gemeinderäte an der Beschlussfassung teil. Gegen einen fehlerhaften Bebauungsplan können Betroffene mit einem Normkontrollantrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO vorgehen. Der Gesetzgeber wollte verhindern, dass jeder dieser Fehler den Bebauungsplan auf ewig angreifbar macht und Bebauungspläne noch nach Jahren für nichtig erklärt werden können. Dies sei mit der Rechtssicherheit, die für eine nachhaltige Bebauung erforderlich ist, nicht vereinbar. Das Baugesetzbuch (BauGB) sieht deshalb ein differenziertes System der Bewältigung von Fehlern vor. Dieses System ist in §§ 3f., 214f. BauGB geregelt.

Nach § 3 Abs. 2 S. 2 BauGB können sich Antragssteller bei einem Normenkontrollverfahren nur auf diejenigen Einwendungen berufen, die sie geltend gemacht haben, solange der Entwurf des Bebauungsplans öffentlich auslag. Der Zeitraum für die öffentliche Auslegung beträgt nach § 3 Abs. 2 S. 1 BauGB einen Monat. Etwas anders gilt nur für diejenigen Einwendungen, die der Betroffene nicht früher konnte geltend machen oder wenn die Auslegung des Entwurfs nicht ordnungsgemäß erfolgt ist.

Nach § 214 BauGB sind darüber hinaus diverse Mängel, v.a. solche formeller Natur, von vorneherein unbeachtlich und können die Wirksamkeit des Bebauungsplans nicht beeinträchtigen, selbst wenn sie  gerügt wurden. Nach § 215 Abs. 1 BauGB werden diejenigen Verstöße gegen das Baugesetzbuch, die nach § 214 BauGB beachtlich sind, unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des Bebauungsplans schriftlich gegenüber der Gemeinde gerügt werden. Etwas anders gilt nur für solche Mängel, die für die Gemeinde offensichtlich waren. Insgesamt bleiben also nur relativ wenige Mängel übrig, die ein erfolgreiches Vorgehen gegen einen Bebauungsplan stützen können.

Die Regelungen betreffen aber nur Verstöße gegen das BauGB. Der Bundesgesetzgeber hat nicht die Kompetenz auch die Folgen von Verstößen gegen landesrechtliche Vorschriften zu regeln, z.B. die Gemeindeordnung (GemO). Dies hat zur Folge, dass solche Verstöße immer beachtlich sind, wenn das Landesrecht nicht etwas anders vorsieht. So kann die Beteiligung eines befangenen Gemeinderats noch nach Jahren noch dazu führen, dass ein Bebauungsplan für nichtig erklärt wird.

II. Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 21.04.2015

Der VGH Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 21.04.2015 über Einwendungen von Anwohnern gegen einen Bebauungsplan mit Sondergebiet „Biogasanlage“ der Stadt Weikersheim entschieden. Die Anwohner hatten rechtzeitig im Verfahren Einwendungen vorgebracht. Sie hatten gerügt, die vorgelegten Gutachten zum Schallschutz und zu den Geruchsimmissionen seien nicht plausibel.

Der Gemeinderat beschloss im Anschluss den Bebauungsplan im Mai 2013, das Landratsamt genehmigte ihn. Die Genehmigung wurde öffentlich bekannt gemacht. 9 Monate später, im April 2014, wiederholte der Gemeinderat den Beschluss, weil bei der ersten Abstimmung ein befangener Gemeinderat beteiligt war. Eine erneute Genehmigung des Landratsamts wurde nicht eingeholt. Erneut 9 Monate später, im Januar 2015, fasste der Gemeinderat einen erneuten – dritten – Beschluss. Begründet wurde dies damit, dass etwaige Risiken wegen Mitwirkung befangener Gemeinderäte und wegen der fehlenden Genehmigung des Landratsamtes ausgeschlossen werden sollen.

Bereits im Oktober 2013 wurde von Anwohnern ein Normkontrollverfahren eingeleitet. Sie rügten neben den Mängeln der Gutachten zum Schallschutz und zu den Geruchsimmissionen, dass die Gemeinde Standortalternativen nicht ausreichend ermittelt, die mit dem Vorhaben verbundene Explosionsgefahr und die eintretende Wertminderung der Grundstücke nicht ausreichend gewürdigt habe. Den Zeitpunkt der Rügen erwähnt der VGH nicht ausdrücklich, sie erfolgten aber wohl nach Mai 2014.

Der VGH hat den Antrag mit einer ausführlichen Begründung abgewiesen und sich mit den Argumenten gegen die Richtigkeit der vorgelegten Gutachten auseinandergesetzt. Mit dem Argument des Explosionsschutzes und der Standortalternativen hat sich das Gericht dagegen nicht inhaltlich auseinandergesetzt. Es hat vielmehr darauf hingewiesen, dass die Anwohner mit diesen Argumenten gemäß § 215 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB präkludiert sind. Die Anwohner haben diese Einwendungen nämlich nicht innerhalb eines Jahres schriftlich gegenüber der Gemeinde gerügt. In diesem Fall sind Einwendungen nur beachtlich, wenn sie für die Gemeinde offensichtlich sind. Dafür bestanden hier keine Anhaltspunkte.

Daran ändern auch die späteren, erneuten, Beschlüsse des Gemeinderats aus den Jahren 2014 und 2015 nichts. Die Jahresfrist zur Rüge sei dadurch nicht erneut in Gang gesetzt worden, auch wenn die Mängel im Rahmen der ergänzenden Verfahren nicht geheilt worden seien. Etwas anders gelte nur dann, wenn die gerügten Belange im ergänzenden Verfahren erstmals oder erneut abgewogen werden oder sogar Anlass neuer Festsetzungen sind. Dies war hier nicht der Fall.

III. Folgen

Die Entscheidung verdeutlicht einmal mehr, wie wichtig es für Betroffene ist rechtzeitig gegen einen Bebauungsplan vorzugehen. Oft wird abgewartet, bis die Genehmigung für die eigentlichen Baumaßnahmen erteilt wird. Dann ist es häufig zu spät.

Die Entscheidung entspricht auch der Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte. Zwar wird in der Literatur auch vertreten, dass die Frist mit jeder Bekanntmachung neu beginnt. Angesichts der einheitlichen Rechtsprechung darf darauf aber nicht vertraut werden.

§ 215 Abs. 1 BauGB enthält eine strikte Ausschließfrist. Eine Wiedereinsetzung kommt nicht in Betracht. Es ist also unerheblich, aus welchem Grund die Rügefrist nicht eingehalten wurde. Zudem muss die schriftliche Rüge innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung bei der Gemeinde eingehen. Die Rüge in einem Schriftsatz genügt zwar nach überwiegender Ansicht. Es muss dann aber sichergestellt werden, dass die Gemeinde der Schriftsatz innerhalb der Jahresfrist erhält. Der Eingang der Rüge bei Gericht genügt nicht. § 167 ZPO ist nach der Rechtsprechung nicht anwendbar, auch nicht analog. Um sicher zu gehen, sollte die Rüge auch direkt an die Gemeinde gesendet werden.

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2 Antworten

  1. Interessanter Prozess! Es war die richtige Entscheidung von den Anwohnern so früh zu klagen.
    Man hört oft, dass die Klägerseite derartige Prozesse nicht gewinnt.

    • Sabine Przerwok sagt:

      Bedauerlich ist es natürlich immer, wenn ein Antrag allein wegen solch formeller Voraussetzungen abgewiesen wird. Umso wichtiger ist es für die Anwohner rechtzeitig ihre Rechtsschutzmöglichkeiten zu ergreifen.

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