Nachtragsvereinbarungen sind abschließend: Kein Nachtrag zum Nachtrag!

Jedes Bauvorhaben ist eine Premiere. Und wie bei jeder Premiere läuft nicht alles nach Plan. So stellt sich während der Bauphase regelmäßig heraus, dass bestimmte Leistungen erforderlich sind, um das Bauvorhaben fertig zu stellen, die wenigstens eine der Parteien in ihrer ursprünglichen Planung nicht berücksichtigt hat. In der Bauwirtschaft hat dies zu dem Erfahrungssatz geführt, dass es praktisch kein Bauvorhaben ohne Nachtrag gibt.

Weil Bauherren aber in der Regel nicht bereit sind, mehr zu bezahlen als ursprünglich vereinbart, führen Nachträge oft zu Streitigkeiten. Soweit dann außergerichtlich und unter dem Druck der Einstellung der Bauarbeiten überhaupt Nachtragsvereinbarungen abgeschlossen werden, umfassen diese oft nur die den zusätzlichen Leistungen direkt zuzuordnenden Kosten wie Material, Arbeitskraft etc. Oft (un-)bewusst ausgeblendet werden die Auswirkungen auf die Bauzeit und die bauzeitabhängigen, indirekten Kosten. Fragen wie: Dauert das Bauvorhaben nun länger? Müssen ein Gerüst oder eine Maschine länger vorgehalten werden? Welche Kosten entstehen dafür? stellen sich Unternehmen oft nicht oder zu spät. Verschiedene Gerichte haben in letzter Zeit klargestellt, dass auch bauzeitabhängige Kosten frühzeitig angemeldet und bei Vereinbarungen mitberücksichtigt werden müssen. Ansonsten besteht ein erhebliches Risiko mit Ansprüchen wegen bauzeitabhängiger Mehrkosten ausgeschlossen zu sein.

 I. Hintergrund

Beim VOB/B-Vertrag ist der Auftragnehmer verpflichtet, zusätzliche Arbeiten mitauszuführen, wenn die Arbeiten erforderlich sind, um den vertraglich vereinbarten Erfolg zu erreichen. Etwas anders gilt nur dann, wenn der Betrieb des Auftragnehmers auf eine derartige Leistung nicht eingerichtet ist. Dies gilt – unabhängig von der rechtlichen Begründung – auch für den BGB-Werkvertrag. Andere zusätzliche Leistungen kann der Auftraggeber nur mit Zustimmung des Auftragnehmers verlangen. Insoweit dürfte regelmäßig ein vom Hauptauftrag zu unterscheidender Anschlussauftrag vorliegen.

Wird vom Bauherren eine im Bauvertrag nicht vorgesehene Leistung zusätzlich gefordert, so steht dem Bauunternehmer nach §§ 631 BGB, 2 Abs. 6 VOB/B auch eine zusätzliche Vergütung zu, die der Auftragnehmer in aller Regel mit einem Nachtragsangebot geltend machen wird. Zwar soll eine die Vergütung regelnde Nachtragsvereinbarung vor Ausführung der Arbeiten getroffen werden, notwendige Voraussetzung ist dies aber nicht. Der Unternehmer ist auch nicht berechtigt, die Ausführung der Arbeiten vom Abschluss einer Vereinbarung abhängig zu machen, solange der Auftraggeber die Vergütungspflicht nicht dem Grunde nach bestreitet. Die Anordnung geänderter oder zusätzlicher Leistungen kann zu einer Bauzeitverzögerung führen, wenn die Ausführung der Leistung mehr Zeit in Anspruch nimmt. Nach der Rechtsprechung handelt es sich dabei um eine Behinderung im Sinne des § 6 Abs. 1 VOB/B. Dies hat zur Folge, dass der Unternehmer die Behinderung anzuzeigen hat, um eine Bauzeitverlängerung zu bewirken und Mehrvergütung zu erhalten.

II. Rechtsprechung

Das Oberlandesgericht München (Urteil vom 26.06.2012 – 9 U 3604/11) hatte sich mit der Frage befasst, ob einer Nachtragsvereinbarung abschließende Wirkung für alle mit diesem Nachtrag verbundenen Kosten zukommt. Dem Urteil lag dabei folgender Sachverhalt zugrunde:

Das klagende Bauunternehmen hatte vom Auftraggeber den Zuschlag für Instandsetzungs- und Erneuerungsarbeiten an einer Autobahnbrücke erhalten. Vereinbart war die Geltung der VOB/B. Unter anderem infolge unvorhersehbarer Chloridbelastungen kam es zu Bauablaufstörungen. Wegen der durch die Arbeiten zur Beseitigung der Chloridbelastung entstandenen direkten Mehrkosten schlossen die Parteien eine Nachtragsvereinbarung. Nicht in der Nachtragsvereinbarung enthalten waren indirekte bauzeitabhängige Kosten. Nachdem der Auftraggeber die Vergütung gemäß der Nachtragsvereinbarung bezahlt hatte, machte das Bauunternehmen mit der Klage u.a. darüber hinausgehende weitere bauzeitabhängige Mehrkosten geltend.

Das Oberlandesgericht München hat die Klage abgewiesen. Begründet hat es dies damit, dass Nachtragsvereinbarungen grundsätzlich und auch im konkreten Fall abschließende Wirkung zukommt. Nachtragsvereinbarungen seien regelmäßig so auszulegen, dass alle mit dem Nachtrag zusammenhängenden Mehrkosten abschließend geregelt werden sollen. Hier konnte der Auftraggeber deshalb davon ausgehen, dass der Kläger mit der Nachtragsvereinbarung alle durch die Chloridbelastung entstehenden Kosten geltend macht. Soweit in der Nachtragsvereinbarung keine bauzeitabhängigen Kosten oder eine Verlängerung der Bauzeit enthalten waren, darf ein Bauherr annehmen, dass solche Kosten dann eben nicht entstehen und eine Verlängerung der Bauzeit aus Sicht des Bauunternehmers nicht notwendig ist.

III. Konsequenzen

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts München betraf eine Nachtragsvereinbarung. Hier müssen Unternehmer darauf achten, alle – insbesondere auch bauzeitbezogene – Kosten mitaufzunehmen. Sollten die bauzeitbezogenen Kosten zum Zeitpunkt der Nachtragsvereinbarung aus Sicht des Unternehmers nicht bestimmbar sein oder droht der Abschluss der Vereinbarung insgesamt an der Geltendmachung dieser Ansprüche zu scheitern, ist dem Unternehmer zu raten, sich diese Ansprüche ausdrücklich in der Vereinbarung vorzubehalten.

IV. Auswirkungen

Oft besteht zwischen den Parteien aber schon Streit darüber, ob es sich um einen Nachtrag handelt oder ob die Leistung schon nach dem ursprünglichen Vertrag geschuldet ist. Zwar gilt der Grundsatz, dass „Was als Leistung beschrieben ist, nicht Nachtrag sein kann“, insbesondere bei umfangreichen Leistungsverzeichnissen mit Pauschalierungen ist die Abgrenzung aber oft unklar.

Um nicht möglichen Schadensersatzansprüchen wegen Verzögerung ausgesetzt zu sein, führen Bauunternehmen die Leistungen dann oft aus und vertagen die Auseinandersetzung um die Vergütung auf die Zeit nach Abschluss des Bauvorhabens. Wenn überhaupt werden noch während der Bauzeit Angebote für die Zusatzleistungen gestellt und die Geltendmachung von Mehrkosten angemeldet.

Der Abschluss einer Nachtragsvereinbarung ist auch nicht zwingend erforderlich, damit ein Bauunternehmer später Vergütungsansprüche geltend machen kann. Allerdings müssen Bedenken und die zusätzliche Vergütung nach § 2 Abs. 6 VOB/B grundsätzlich vor Ausführung der Arbeiten angemeldet werden. Fehlt die Anmeldung und war sie nicht – was nur in Ausnahmen der Fall sein dürfte – entbehrlich, besteht allein deshalb kein Anspruch. Außerdem sollten Bauunternehmen nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts München auch besonderen Wert auf den Inhalt der Ankündigung einer zusätzlichen Vergütung legen. Schon aus Beweisgründen sollte die Ankündigung schriftlich erfolgen. Die Ankündigung braucht zwar nicht die voraussichtliche Höhe der Mehrkosten anzugeben. Sie muss aber nicht nur die Leistungsart, sondern auch den Leistungsumfang betreffen. Die Mehrkostenanmeldung sollte deshalb die zusätzlichen Leistungen jedenfalls überblicksartig enthalten und ausdrücklich auch bauzeitabhängige Kosten einschließen.

Ist dies nicht der Fall muss der Umfang durch Auslegung ermittelt werden. Wie eine solche Auslegung ausgeht, lässt sich schwer vorhersehen und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Wird dann noch während der Bauphase oder gemeinsam mit der Anzeige der Mehrkosten ein Nachtragsangebot abgegeben, ist besonders darauf zu achten, dass auch tatsächlich alle Kosten enthalten sind. Soweit bauzeitabhängige Kosten noch nicht beziffert werden können, sollten diese ausdrücklich vom Angebot ausgenommen werden. Ansonsten könnten Gerichte das Angebot im Zusammenhang mit der Mehrkostenanmeldung dahingehend auslegen, dass sich die Mehrkostenanmeldung nur auf diejenigen Kosten bezieht, die im Angebot enthalten sind. In diese Falle sollte kein Unternehmen tappen.

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